Die Arbeit im Home-Office ist aus der heutigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Nach Angabe des Statistischen Bundesamts waren in Deutschland im Jahr 2022 24,2% aller Erwerbstätigen zumindest gelegentlich im Home-Office tätig (sog. Hybrid Working). Die Anzahl der Beschäftigten, die ausschließlich im Home-Office arbeiten, beziffert das Statistische Bundesamt für dasselbe Jahr auf rund 2,285 Millionen. Dies entspricht einer Vervierfachung im Verhältnis zum entsprechenden Wert vor der Corona-Pandemie.
Doch was passiert, wenn eine einmal getroffene Home-Office-Vereinbarung gekündigt werden soll – etwa, weil nach dem Abklingen der pandemiebedingten Einschränkungen aus Sicht des Arbeitgebers kein Bedarf mehr besteht – der Arbeitnehmer die Beendigung der Vereinbarung aber ablehnt? Wann und wie können Arbeitgeber Home-Office-Vereinbarungen kündigen?
I. Worum geht es?
Mit der Kündigung einer Home-Office-Vereinbarung wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich des Arbeitsortes einseitig geändert. Eine solche einseitige Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen bezeichnet man als „Teilkündigung“. Im Gegensatz zur „regulären“ Kündigung wird hierbei nicht das gesamte Arbeitsverhältnis beendet, sondern lediglich ein selbständiger, abtrennbarer Teil, in der Regel eine Zusatzvereinbarung.
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass Teilkündigungen unzulässig sind und daher nicht wirksam ausgesprochen werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird nämlich durch die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen gegen den Willen einer Partei das Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Arbeitsvertrags gestört. Die kündigende Vertragspartei entziehe sich der Vertragsbindung, ohne gleichzeitig auf ihre Rechte aus der Bindung der anderen Partei zu verzichten (BAG, Urteil vom 07.10.1982 - 2 AZR 455/80).
Der Grundsatz der Unzulässigkeit einer Teilkündigung muss daher bei der Kündigung von Home-Office-Vereinbarungen berücksichtigt werden. Zwar können Teilkündigungsrechte vereinbart werden, diese unterliegen aber strengen Voraussetzungen. Insbesondere müssen sie einer AGB-Kontrolle standhalten und dürfen den Arbeitnehmer somit nicht unangemessen benachteiligen und nicht missverständlich formuliert sein.
Mit Urteil vom 16.03.2023 hat das Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 18 Sa 832/22) über die Wirksamkeit einer solchen Teilkündigungsvereinbarung entschieden, die Voraussetzungen für eine solche anschaulich dargestellt und so einen Ausblick auf die mögliche Gestaltung von Home-Office-Vereinbarungen gewährt.
II. Zum Urteil
In dem vom Landesarbeitsgericht Hamm zu beurteilenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung, nach welcher der Kläger seine Arbeitsleistung grundsätzlich im Home-Office verrichtete und nur bei Bedarf in den Unternehmensräumen arbeiten musste. Die im Zentrum der Entscheidung stehende Regelung der Zusatzvereinbarung bestimmte, dass die Zusatzvereinbarung mit dem Ende des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses ende, wenn sie nicht vorher durch eine der beiden Parteien gekündigt werde.
Nach einer länger andauernden Erkrankung des Klägers kündigte die Beklagte die Zusatzvereinbarung, um den Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in den Innendienst zu verlagern. Daraufhin machte der Kläger gerichtlich die Unwirksamkeit der Teilkündigung geltend. Die vorstehend geschilderte Regelung sei unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoße und arbeitsrechtliche Vorschriften umgehe.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, die anschließende Berufung war erfolgreich.
Das Landesarbeitsgericht Hamm verwies zunächst auf die Rechtsprechung des BAG zum Grundsatz der Unwirksamkeit von Teilkündigungen. Deren Unzulässigkeit beruhe darauf, dass gegen den Willen des Vertragspartners keine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen möglich sei. Im zu entscheidenden Fall liege jedoch gerade keine Änderung der Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners vor, da die Vereinbarung explizit die Möglichkeit der Kündigung der betroffenen Vertragsbedingung vorsehe. Die Vertragsparteien mussten sich also darüber im Klaren sein, dass die Regelung zum Home-Office von der jeweils anderen Partei gegen ihren Willen beendet werden konnte. Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Regelung sei allerdings, dass die Kündigungsmöglichkeit gleichermaßen für beide Parteien gelte und eine Weisung zum neuen Arbeitsort vorliege.
Auch sei die Vereinbarung selbst nicht unwirksam. So verletze sie keine zwingenden Kündigungsschutzvorschriften, da sie nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich den Ort der Tätigkeit betreffe, welcher kündigungsrechtlich nicht besonders geschützt sei. Eine Unwirksamkeit ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen AGB-Recht. Das Gericht führte hierzu aus, die Tätigkeit im Home-Office sei keine wechselseitige Vertragspflicht, sondern betreffe nur den Ort der Arbeitsleistung, der vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst sei. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Kündbarkeit der Zusatzvereinbarung nur eine eingeschränkte Rechtsposition des Klägers betreffe und ihm diese auch nicht vollständig genommen werde, da er durch die Zusatzvereinbarung keinen Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Home-Office erlangt habe und auch nach dem nunmehr wieder geltenden Arbeitsvertrag grundsätzlich im Home-Office arbeiten könne. Schließlich sei das spezifische Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Die Vereinbarung sei daher nicht unangemessen benachteiligend.
Die Teilkündigung der Home-Office-Regelungen des Klägers sei daher insgesamt wirksam.
III. Sonstige Rechtslage
Mit seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Weichen für die Wirksamkeitsprüfung individualvertraglich vereinbarter Teilkündigungsrechte gestellt. Wenn die Parteien einer Home-Office-Vereinbarung für diese ein Teilkündigungsrecht vereinbaren, so muss die Kündigungsmöglichkeit beiden Parteien gleichermaßen zustehen. Anderenfalls droht die Unwirksamkeit der Teilkündigung wegen des entgegenstehenden Willens der nicht teilkündigungsberechtigten Partei. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Teilkündigungsrechte nicht unklar formuliert und auch nicht unangemessen benachteiligend sein dürfen, wobei die Interessen beider Parteien zu beachten sind. Schließlich muss entweder bereits im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Teilkündigungsrechtes selbst oder jedenfalls im Rahmen der Ausübung ein neuer Arbeitsort festgelegt werden.
Soweit Home-Office-Vereinbarungen dagegen nicht individualvertraglich, sondern mittels Betriebsvereinbarung getroffen werden, ist auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 11.05.2021 (Az.: 7 Sa 289/20) hinzuweisen. Hier argumentierte das Gericht, ebenfalls unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Teilkündigungen, dass es sich bei der Home-Office-Vereinbarung um eine nach dem Gesamtbild des Vertrags selbständig lösbare Vereinbarung handle und das Teilkündigungsrecht daher keine Umgehung des Kündigungsschutzes darstelle, weil der Arbeitsvertrag selbst bestehen bleibe. Auch im Hinblick auf die AGB-Kontrolle und die Bedeutung des Weisungsrechts des Arbeitgebers zum Arbeitsort, decken sich die Ausführungen der beiden Landesarbeitsgerichte.
Schließlich kann es – gerade bei Pandemie-Sachverhalten – vorkommen, dass das Home-Office nicht zwischen den Parteien vereinbart, sondern vom Arbeitgeber einseitig angeordnet wurde. In einem solchen Fall vertrat das Landesarbeitsgericht München am 26.08.2021 (Az.: 3 SaGa 13/21) die Auffassung, dass es bei einem Vorliegen betrieblicher Gründe auch vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst sei, die Rückkehr aus dem Home-Office anzuordnen.
Trotz dieser recht aussagekräftigen Urteile verschiedener Landesarbeitsgerichte darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es bisher an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt und die verschiedene Gerichte und Instanzen entsprechende Sachverhalte möglicherweise unterschiedlich bewerten werden.
IV. Was Sie jetzt tun sollten – unser Tipp
Wie soeben dargestellt, ist die Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn ein Teilkündigungsrecht individualvertraglich oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung vereinbart worden ist. Der Grundsatz der Unzulässigkeit von Teilkündigungen ist insofern kein unüberwindbares Hindernis.
Im besten Fall wird eine schriftliche Vereinbarung darüber getroffen, ob und wie die Tätigkeit im Home-Office beendet werden kann. In Betracht kommt etwa eine befristete Vereinbarung, eventuell auch mit sachlichem Grund, oder eben ein beidseitiges, klar definiertes Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, bleibt dem Arbeitgeber in der Regel nur der Weg über eine Änderungskündigung, über die ggfs. das Arbeitsgericht entscheiden wird. Es ist davon auszugehen, dass in der nächsten Zeit noch weitere Urteile zum Thema der Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen gefällt werden. Außerdem bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesarbeitsgericht zu dieser Frage positionieren wird.
Selbstverständlich sind wir Ihnen bei der Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen gerne behilflich und stehen Ihnen jederzeit für eine individuelle Beurteilung einer Vereinbarung oder die Umsetzung eines Beendigungsvorhabens ebenso zur Verfügung wie für den Entwurf einer solchen Vereinbarung.
Wir danken unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Alexa Gablenz für die tatkräftige Unterstützung zu diesem Beitrag.
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