I. Ausgangslage
Die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) ist immer wieder Streitthema zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen – spätestens beim Besuch der Betriebsprüfung bemängelt der Prüfer oftmals, dass die strikte Trennung zwischen Privat- und Gesellschaftssphäre zu wenig beachtet wird und die vereinbarten Konditionen nicht dem Fremdvergleich standhalten. Die „Steuerfalle“ vGA kann dann richtig teuer werden.
II. Grundsätze und Steuerfolgen der vGA
Eine vGA ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die
• durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist,
• sich auf die Höhe des Einkommens (steuerrechtlichen Gewinns) auswirkt und
• die nicht auf einem Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschaft beruht (keine offene Gewinnausschüttung).
Von der unerwünschten Einstufung als vGA profitiert der Staat doppelt:
Auf Ebene der Gesellschaft darf der Wert der vGA den Gewinn zum einen nicht mindern. Sofern eine Gewinnminderung erfolgte, ist dieser Wert dem Einkommen der Gesellschaft außerhalb der Bilanz wieder hinzuzurechnen. Demzufolge erhöht sich der steuerrechtliche Gewinn und damit die Bemessungsgrundlage für die Körperschaft- und Gewerbesteuer um den Wert der vGA. Der Gesellschafter (als Empfänger der vGA) muss den Vermögensvorteil zum anderen versteuern.
Je nachdem, ob sich die Anteile an der Gesellschaft im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen befinden, führt der vGA-Bezug zu Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus Kapitalvermögen. Folglich erhöht sich das zu versteuernde Einkommen und damit die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer um den Wert der vGA.
Beispiel:
Eine GmbH gewährt ihrem Gesellschafter ein Darlehen in Höhe von 100.000 EUR zu 3 % Zinsen, angemessen und marktüblich wären jedoch mindestens 5 %.
Die jährliche Zinsersparnis in Höhe von 2.000 EUR (2 % x 100.000 EUR) stellt eine vGA dar.
III. Aktuelle Rechtsprechung
Für die Prüfung, ob eine vGA vorliegt oder nicht, wird der Fremdvergleich bemüht. Dabei wird geprüft, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen die Vermögensvorteile, die er seinem Gesellschafter zuwendet, auch einer Person zugewendet hätte, die nicht Gesellschafter ist. Bei der Gewährung von Gesellschafterdarlehen prüft die Finanzverwaltung daher insbesondere dann das Vorliegen einer vGA, wenn
• die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen zu einer unangemessen geringen Verzinsung überlässt und der Gesellschafter demzufolge „zu niedrige“ Zinsen zahlt.
• der Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft ein Darlehen gegen eine unangemessen hohe Verzinsung gewährt und der Gesellschafter demzufolge „zu hohe“ Zinsen erhält.
• die Kapitalgesellschaft auf die Rückzahlung verzichtet.
Die Finanzverwaltung betrachtet als Vergleichsmaßstab in der Regel die Darlehenskonditionen von Banken.
Der BFH hat sich mit seiner Entscheidung vom 18.05.2021 (Az.: I R 62/17) zu der fremdüblichen Verzinsung von Gesellschafterdarlehen nunmehr jedoch neu positioniert und der häufigen Praxis in Betriebsprüfungen eine klare Absage erteilt. Er hat klargestellt, dass ein Fremdvergleich nicht zwingend allein auf einem Bankenvergleich beruht, sondern vielmehr die fehlende Besicherung und die Nachrangigkeit von Darlehen als spezielle Umstände bei der Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes über entsprechende Zinszuschläge zu berücksichtigen sind. Eine vGA liege demzufolge nicht bereits deshalb vor, weil ein unbesichertes und nachrangiges Gesellschafterdarlehen höher verzinst wird als ein besichertes und vorrangiges Bankdarlehen.
In seinen Ausführungen betont der BFH, dass die Fremdvergleichsprüfung vielfach zwei dem Gesellschafterdarlehen innewohnenden Eigenschaften vernachlässigt.
Zum einen sind Forderungen gegen Gesellschafter und Forderungen gegen fremde Dritte schon per Gesetz anders zu bewerten. Im Insolvenzfalle schließlich sind Forderungen gegen Gesellschafter nachrangig zu begleichen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Forderungen gegen fremde Dritte hingegen unterliegen keiner gesetzlichen Rangminderung. Die gesetzlich verankerte Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen kann auch durch Sicherheiten nicht ausgehebelt werden und folglich auch keinen Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe rechtfertigen. Sie ist für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich. Würde jedoch ein fremder Dritter das Darlehen gewähren und zugleich den Vorrang einer Forderung eines anderen Gläubigers akzeptieren, so würde er für die Hinnahme dieses Nachteils sicherlich einen finanziellen Ausgleich vom Darlehensnehmer verlangen.
Zum anderen bieten Forderungen gegen Gesellschafter in der Regel einen weitreichenderen Blick in die finanzielle Substanz des Darlehensnehmers. Seine Vermögenssituation ist schließlich nicht nur bei Kreditgewährung, sondern vielmehr noch über diesen Zeitpunkt hinaus bedeutsam. Für die sichere Rückzahlung bzw. das Ausfallrisiko ist genau genommen die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Darlehensnehmers noch viel wichtiger.
Verfügt der kreditnehmende Gesellschafter vermutlich auch in der Zukunft über eine ausreichende Vermögenssubstanz und die Rückzahlung erscheint nicht gefährdet, so besteht keine Notwendigkeit für einen Risikozuschlag im Zinssatz. Würde allerdings ein fremder Dritter das Darlehen gewähren, der typischerweise die wirtschaftliche Zukunft seines Darlehensnehmers nicht kennt, so würde er bei sonst gleichen Umständen einen höheren „Zins“ für die Kapitalüberlassung fordern.
IV. Unser Tipp
Zur Vermeidung negativer Steuerfolgen der vGA bei Gesellschafterdarlehen empfiehlt es sich, bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung folgende Punkte zu beachten:
1. Vereinbaren Sie vorab klare, eindeutige und leicht nachprüfbare Vertragsinhalte.
2. Legen Sie angemessene Vergütungen fest.
3. Treffen Sie Regelungen, wie sie unter fremden Dritten üblich sind.
4. Führen Sie das Vertragsverhältnis auch tatsächlich entsprechend der vereinbarten Konditionen durch.
Im Hinblick auf die angemessene, fremdübliche Vergütung bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das o.g. BFH-Urteil reagiert bzw. wie nunmehr in Betriebsprüfungen hiermit umgegangen wird. Für den Steuerpflichtigen bietet das BFH-Urteil jedoch bereits eine gute Grundlage, um einen höheren Zinssatz für nachrangige und unbesicherte Gesellschafterdarlehen zu rechtfertigen und damit die Annahme einer vGA zu widerlegen.