I. Einleitung
Der Deutsche Bundestag hat am 30.09.2022 das "Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz" beschlossen (BT-Drs. 20/3530), welchem der Bundesrat am 07.10.2022 zugestimmt hat (BR-Drs 476/22). Dieses sieht zum einen die temporäre Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz im Zeitraum vom 01.10.2022-31.03.2024 vor. Zum anderen wurde mit diesem Gesetz allerdings auch § 3 Nr. 11c EStG neu – besser bekannt unter dem "Inflationsausgleichsprämie" – beigefügt. Dieser regelt die Möglichkeit des Arbeitgebers, seinen Arbeitnehmern Leistungen zur Abmilderung der Inflation bis zu einem Betrag von 3.000 Euro steuerfrei zu gewähren. Nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt vom 25.10.2022 können Unternehmen nunmehr vom 01.10.2022 an rückwirkend die zusätzliche Leistung an ihre Beschäftigten auszahlen. Die Gesetzesbegründung verweist auf die angespannte Lage auf den Energiemärkten und den dadurch erheblich gestiegenen Gaspreis. Die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen sollen die dadurch entstehenden Belastungen der Bürgerinnen und Bürger abfedern. Dieser Betrag beschränkt sich im Folgenden allerdings auf die Vorgaben zur Inflationsausgleichsprämie.
II. Die Inflationsausgleichsprämie
Die bereits mit viel medialer Aufmerksamkeit gewürdigte Einführung der Inflationsausgleichsprämie wurde durch den neu gefassten § 3 Nr. 11c EStG nunmehr in den Gesetzestext aufgenommen.
Der Gesetzestext zu § 3 Nr. 11c EStG lautet:
"11c. zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom (...) bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3 000 Euro,".
Es handelt sich bei der Inflationsausgleichsprämie also um einen steuerlichen Freibetrag, durch welchen dem Arbeitgeber die steuerfreie Zahlung von zusätzlichen Leistungen an den Arbeitnehmer ermöglicht wird, solange der Betrag von 3.000 Euro nicht überschritten wird.
III. Voraussetzungen der steuerfreien Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie
Arbeitgeber müssen bei der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie insbesondere drei Vorgaben beachten.
Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist zunächst, dass die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Eine Leistung ist allerdings dann nicht mehr als "zusätzlich" einzuordnen, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf diese hat. Sollte dies der Fall sein, gehört eine solche Sonderleistung zum Arbeitsentgelt und kann gerade nicht aufgrund der Gesetzesänderung steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden. Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf etwaige Sonderzahlungen hat oder nicht, hängt vom Einzelfall ab und bedarf einer Prüfung im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Vertragsvereinbarungen.
Weiterhin muss ein Zusammenhang zwischen der Sonderleistung und der allgemeinen Preissteigerung bestehen, an welchen allerdings keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Es genügt nach Mitteilung des Bundesfinanzministeriums, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der Leistung in beliebiger Form (zum Beispiel durch entsprechenden Hinweis auf dem Überweisungsträger im Rahmen der Lohnabrechnung) deutlich macht, dass diese im Zusammenhang mit der Preissteigerung steht und dadurch als Inflationsausgleichsprämie gelten soll.
Schließlich sind die steuerfreien Leistungen auch im Lohnkonto des Arbeitnehmers als Inflationsausgleichsprämie aufzuführen.
IV. Inflationsprämie statt Weihnachtsgeld?
Aufgrund des Zeitpunktes der Gesetzesneuerung häufen sich derzeit die Anfragen von Unternehmen bezüglich der konkreten und zeitnahen Durchführung einer möglichen Auszahlung der Inflationsprämie. Insbesondere hinsichtlich einer etwaigen Ersetzung von bereits existierenden Jahressonderzahlungen sollte eine Auszahlung als Inflationsausgleichsprämie allerdings mit Vorsicht genossen werden.
Nicht wenige Unternehmen zahlen an ihre Beschäftigten jährlich ein Weihnachtsgeld aus. Im Zuge der Einführung der Inflationsausgleichsprämie erscheint eine steuerlich begünstigte Auszahlung verständlicherweise verlockend. Vielfach wird daher überlegt, die Sonderzahlung nicht mehr als "Weihnachtsgeld" auszuschütten, sondern stattdessen in identischer Höhe als Inflationsausgleichsprämie zu gewähren, um so die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile genießen zu können. Ob eine solche Gewährung möglich ist, hängt aber entscheidend davon ab, ob die Beschäftigten einen Anspruch auf das Weihnachtsgeld haben. Besteht ein solcher Anspruch, handelt es sich nicht um die vom Gesetz geforderte Sonderzahlung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt" und damit nicht um eine begünstigte Auszahlung.
Ein Anspruch der Beschäftigten kann sich u.a. unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergeben, sofern der Arbeitgeber sich nicht wirksam die Freiwilligkeit des Weihnachtsgeldes vorbehalten hat. Der Großteil aller Arbeitsverträge wird zwar einen Freiwilligkeitsvorbehalt für alle Gratifikationen und Sonderleistungen beinhalten. Ein Rechtsanspruch auf eine solche Sonderleistung des Unternehmens wird allerdings nicht bereits dadurch wirksam ausgeschlossen, weil eine genügte Leistung als "freiwillig" bezeichnet wird.
Sofern das Unternehmen die Voraussetzungen für – und ggfs. sogar die Höhe – einer Sonderleistung in den Arbeitsvertrag aufgenommen hat, entsteht für die Beschäftigten ein konkreter Anspruch auf Zahlung einer Sonderleistung, unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen, widersprechen sich diese Vertragsbestimmungen. Dies verstößt im Sinne von § 307 I BGB gegen das Transparenzgebot, nach welchem Regelungen nicht in einer Weise formuliert werden dürfen, dass sie für den Vertragspartner unklar sind und er dadurch in der Wahrnehmung seiner Rechte beschränkt wird. Vorliegend vereinbaren die Parteien auf der einen Seite eine konkrete Leistung und auf der anderen Seite soll diese Vereinbarung nicht verbindlich sein. Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot führt regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vorbehaltes.
Im Übrigen ist der Begriff „freiwillig“ auch nicht ohne weiteres als Anspruchsausschluss zu verstehen, da eine solche Bezeichnung auch bedeuten kann, dass der Arbeitgeber weder aufgrund eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung noch nach dem Gesetz zu dieser Leistung verpflichtet ist.
Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes kann sich auch aus dem gesetzlich nicht geregelten Institut der betrieblichen Übung ergeben. Darunter versteht man im Kern die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen eine Leistung oder Vergütung auf Dauer gewährt werden soll.
Da aus einer einmal entstandenen betrieblichen Übung ein Anspruch des Beschäftigten folgt, darf das Unternehmen nicht ohne weiteres, von der betrieblichen Übung abweichen. Wie schon im Fall der ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag führt ein etwaiger Freiwilligkeitsvorbehalt auch bei der betrieblichen Übung nicht dazu, dass den Beschäftigten der Anspruch wieder entzogen werden kann.
Ähnliches gilt für die sog. Schriftformklausel. Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, kann aber in der Regel auch konkludent von den Parteien abgedungen werden, sodass eine solche die betriebliche Übung nicht verhindern kann. Selbst eine sog. doppelte Schriftformklausel kann die betriebliche Übung im Ergebnis nicht verhindern.
In der Praxis wird den Beschäftigten also häufig ein Anspruch auf Weihnachtsgeld zustehen, der unternehmensseitig nicht ohne weiteres einseitig widerrufen werden kann. Die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie als Ersatz für ein andernfalls gewährtes Weihnachtsgeld wird daher regelmäßig nicht möglich sein, weil die Zahlung gerade nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn erfolgen würde.
Arbeitgeber und HR-Verantwortliche sollten gründlich prüfen, ob es sich bei einer geplanten Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie tatsächlich um eine zusätzliche Leistung zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt handelt.
Dabei können Ansprüche verschiedenen Ursprungs (bspw. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder auch betriebliche Übung) genügen, um die mit der neuen gesetzlichen Regelung eingeführten Vergünstigungen auszuschließen. Dabei sind die bei arbeitsvertraglichen Ansprüchen häufig vorzufindenden Freiwilligkeitsvorbehalte kein „Freischein“ für den bloßen Austausch bestehender Sonderzahlungen mit der neuen Inflationsausgleichsprämie.
Sollten Arbeitgeber fälschlicherweise Teile des ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelts steuer- und sozialversicherungsfrei an die Mitarbeiter ausgezahlt haben, würde dies zumindest im Rahmen einer Prüfung der Deutschen Rentenversicherung zur Nachzahlung und Erhebung der Säumniszuschläge führen.
Die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten sollten daher vor Auszahlung sorgsam überprüft werden. Wenn auch die Inflationsausgleichsprämie auf den ersten Blick wenige Voraussetzungen haben mag, die Frage nach einer Gewährung „zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt“, muss jedenfalls im konkreten Einzelfall geprüft werden.