Am 17.11.2023 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) verabschiedet. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland und dessen Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken sowie das Steuerrecht zu vereinfachen. Der Beitrag stellt eine Auswahl der geplanten Maßnahmen überblicksartig dar.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. So beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 24.11.2023, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die weiteren Entwicklungen bleiben daher abzuwarten.
I. Bilanzsteuerrechtliche Maßnahmen
1. Degressive Afa für bewegliche Wirtschaftsgüter
Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter soll für einen befristeten Zeitraum abermals eingeführt werden. Hierbei sollen Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden. Der Abschreibungssatz darf höchstens das 2,5fache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes ergeben, allenfalls aber 25 %. Dieser Abschreibungssatz ist unveränderlich.
2. Sonderabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter
Die Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter soll von 800 Euro auf 1.000 Euro angehoben werden. Dies gilt für alle nach dem 31.12.2023 angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter.
3. Sammelposten
Sammelposten konnten bisher für Wirtschaftsgüter zwischen 250 Euro und 1.000 Euro gebildet und über eine Nutzungsdauer von 5 Jahren abgeschrieben werden. Es ist vorgesehen, dass die Betragshöchstgrenze von 1.000 Euro auf 5.000 Euro eines einzelnen Wirtschaftsgutes angehoben und die Nutzungsdauer von 5 auf 3 Jahre verringert werden soll.
4. Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG
Unternehmen, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen abnutzbaren Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, sollen für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter eine Sonderabschreibung von bis zu 50 % der Investitionskosten im Jahr der Anschaffung/Herstellung und in den 4 folgenden Jahren geltend machen können.
5. Degressive Afa für Wohngebäude
Für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird oder deren Anschaffung mittels geschlossenem Vertrag in diesem Zeitraum erfolgt ist, kann eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Der degressive Abschreibungssatz beträgt 6 % vom jeweiligen Buchwert.
6. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau
Die Inanspruchnahme dieser Sonderabschreibung soll für solche Baumaßnahmen gelten, mit denen aufgrund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags/Bauanzeige bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten dürfen in diesen Fällen 5.200 Euro/qm Wohnfläche nicht übersteigen. Bemessungsgrundlage sind max. 4.000 Euro/qm Wohnfläche. Diese Regelung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gelten.
7. Investitionsprämie für Klimaschutz
Bei der Einführung der Investitionsprämie durch das neue Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz (KlimaInvPG) handelt es sich um eine gewinnunabhängige Förderung durch den Staat. Die Gewährung einer solchen Prämie soll zu einem Umdenken der Wirtschaft in Richtung klimafreundlicher Investitionen führen. Der Mindestbetrag der Förderung beläuft sich auf 5.000 Euro, die Summe des förderfähigen Aufwands ist im Förderzeitraum auf 200 Mio. Euro pro Anspruchsberechtigten begrenzt. Der Förderzeitraum beginnt am 01.03.2024 und endet vor dem 01.01.2030. Anspruchsberechtigte dürfen maximal 4 Anträge stellen. Die Investitionsprämie beträgt 15 % des förderungsfähigen Aufwands, maximal 30 Mio. Euro. Der förderfähige Aufwand muss mindestens 10.000 Euro betragen.
Eine detaillierte Ausführung zur Investitionsprämie für Klimaschutz finden Sie in unserem Newsletter
Pelka Aktuell
vom 22.11.2023.
II. Unternehmenssteuerrechtliche Maßnahmen
1. Verlustabzug
Die Abzugsbeträge, die seit dem Veranlagungszeitraum 2020 durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2022 Anwendung finden, werden entgegen dem Regierungsentwurf nunmehr nicht dauerhaft übernommen. Verluste können bis zu einer Höhe von 10 Mio. Euro, bei Ehegatten bis zu 20 Mio. Euro in vorangegangene Veranlagungszeiträume (bis zu 3 Jahre) temporär rückgetragen werden. Ab dem VZ 2026 reduzieren sich die Grenzen dauerhaft auf 5 Mio. Euro bzw. bei Zusammenveranlagung auf 10 Mio. Euro.
Der nach einem Verlustrücktrag verbleibende Verlust kann in den folgenden Veranlagungszeiträumen weiterhin zeitlich unbegrenzt, jedoch unbeschränkt nur bis zum Sockelbetrag von 1 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagten 2 Mio. Euro), vom Gewinn abgezogen werden. Darüber hinaus kann der übersteigende Gewinn nur zu 75 % (bisher 60 %) mit den vorgetragenen Verlusten verrechnet werden. Diese Regelung ist nur temporär für die Veranlagungszeiträume 2024–2027 vorgesehen.
2. Option zur Körperschaftsteuer
Bisher konnten nur Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren. Mit dem neuen Gesetz sollen nunmehr alle Personengesellschaften die Option haben. Die Anträge hierfür sollen bei einer Neugründung einer Personengesellschaft bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gestellt werden können.
3. Zinsschranke
Die Vorgaben der Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) werden nunmehr in die Zinsabzugsbeschränkung mit aufgenommen. Die bisherige Konzernbezogenheit der Zinsschranke bei der Stand-alone-Klausel und bei dem Eigenkapital-Escape wird aufgegeben. Im Gesetz erfolgt auch eine Anpassung des Zinsbegriffs. Die neuen Regelungen sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2024 gelten.
4. Thesaurierungsbegünstigung
Nach § 34a EStG kann auf Antrag eine Besteuerung für nicht entnommene Gewinne einer Personengesellschaft aus Gewerbetrieb, Landwirtschaft oder selbständiger Tätigkeit vorgenommen werden. Der Steuersatz beläuft sich auf 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag.
Der begünstigungsfähige Gewinn soll nunmehr um die gezahlte Gewerbesteuer, die zur Zahlung der Einkommensteuer auf thesaurierte Gewinne entnommen wird, erhöht werden. Die Regelung soll erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 gelten.
5. Obligatorische eRechnung
Ab 2028 soll die Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich an ein bundeseinheitliches Meldesystem bestehen. Die Meldung soll über eine sogenannte eRechnung erfolgen, die der Richtlinie 2014/55/EU entspricht und in einem strukturierten elektronischen Format verarbeitet werden kann. Ab 2025 soll mit der Einführung dieser eRechnung durch folgende Übergangsvorschriften begonnen werden:
- Zwischen dem 01.01.2025 und dem 31.12.2026 können bei nach dem 31.12.2023 ausgeführten Umsätzen neben den eRechnungen auch noch sonstige Rechnungen (Papierrechnungen oder Rechnungen in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden.
- Bis zum 31.12.2027 für einen nach dem 31.12.2026 und vor dem 01.01.2028 ausgeführten Umsatz ist die eRechnung auch obligatorisch für Rechnungsaussteller, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr (2026) der Gesamtumsatz nicht mehr als 800.000 Euro betrug.
Ausgenommen von eRechnungen sind Kleinbetragsrechnungen sowie Fahrausweise.
III. Steuervereinfachende Maßnahmen
1. Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
Mieteinnahmen sind zukünftig steuerfrei, wenn diese im Veranlagungszeitraum weniger als 1.000 Euro betragen. Steuerpflichtige können jedoch zur Steuerpflicht optieren, wenn die unmittelbar mit der Vermietungsleistung im Zusammenhang stehenden Ausgaben die Einnahmen übersteigen.
2. Befreiung von Kleinunternehmern von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten
Bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung soll künftig die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung entfallen. Ausnahmen gelten für innergemeinschaftliche Erwerbe, Fahrzeuglieferer oder in den Fällen, wo der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Die Regelung soll erstmals für den Besteuerungszeitraum 2023 gelten.
3. Erhöhung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen
Die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen soll zukünftig entfallen, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) beträgt. Diese Regelung soll ab dem Besteuerungszeitraum 2024 gelten.
4. Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht nach § 141 AO
Gewerbliche Unternehmer und Land- und Forstwirte sind künftig ab einem Gesamtumsatz von 800.000 Euro (bisher 600.000 Euro) oder einem Gewinn von 80.000 Euro (bisher 60.000 Euro) im Kalenderjahr zur Buchführung verpflichtet.
IV. Fazit
Aufgrund der umfangreichen steuerrechtlichen Änderungen kann das Wachstumschancengesetz mit einem Jahressteuergesetz verglichen werden. Es bleibt abzuwarten, ob die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen ausreichen, um die damit verbundenen Ziele der Bundesregierung zu erreichen.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Nach dem das Gesetzesvorhaben den Bundestag passierte, beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung am 24.11.2023, den Vermittlungsausschuss anzurufen. In Anbetracht der gegenwärtigen Haushaltslage bleiben die weiteren Entwicklungen abzuwarten.
Sollten Sie zu den geplanten Maßnahmen weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns gerne an.