Der grenzüberschreitende Warenverkehr
ist in unserem Wirtschaftsleben heutzutage allgegenwärtig. In der täglichen Praxis erlangt dieser nicht nur Bedeutung für multinational agierende Konzerne, sondern bspw. auch für die Unternehmensgründerin oder den Mittelständler, welche infolge einer zunehmenden Digitalisierung Zutritt zu den Weltmärkten haben und die für die Herstellung der eigenen Produkte notwendigen Rohstoffe global einkaufen und die eigenen Erzeugnisse anschließend weltweit verkaufen können.
Verständlicherweise nehmen internationale Warenbewegungen
auch in der Umsatzsteuer eine bedeutende Stellung ein und werden aus Sicht des exportierenden Landes steuerfreigestellt. Denn aufgrund des umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungslandprinzips, nach dem die Besteuerung nicht im Staat des Lieferorts, sondern in dem des bestimmungsgemäßen Verbrauchs erfolgen soll, sind bestimmte grenzüberschreitende Warenlieferungen von der Umsatzsteuer befreit. So sind Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a und b UStG grundsätzlich steuerfrei. Vorliegen müssen hierfür aber die Voraussetzungen nach den §§ 6 und 6a UStG.
Insbesondere hat der Unternehmer bestimmte Buch- und Belegnachweise
vorzuhalten. Zwar stellt die Erfüllung dieser Nachweispflichten keine materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung oder der Ausfuhrlieferung dar. Aber gerade im Hinblick auf eine jederzeit drohende Umsatzsteuer-Sonderprüfung
(USt-Sonderprüfung) sollte der Unternehmer seine Nachweispflichten ordnungsgemäß erfüllen. Denn aufgrund der der Finanzbehörde zustehenden Prüfungsbefugnis hat der Buch- und Belegnachweis den Charakter eines Anscheinsbeweises. Ein fehlender Nachweis könnte daher im Rahmen einer Beweiswürdigung gegen eine innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung sprechen und somit zu einer Versagung der Steuerfreiheit führen.
Dieser Beitrag soll einen Überblick darüber geben, wie der Buch- und Belegnachweis gelingen kann und welche Aufbewahrungspflichten der Unternehmer auch im Hinblick auf eine USt-Sonderprüfung zu erfüllen hat. Er soll insbesondere für die notwendigen Voraussetzungen sensibilisieren und die vorzulegenden Unterlagen im Rahmen einer USt-Sonderprüfung kompakt und überblickartig darstellen.
II. Beleg- und buchmäßige Nachweispflichten
Ausfuhrlieferung
ist im Grundfall die Versendung oder Beförderung des Liefergegenstands durch den Unternehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) oder durch den Abnehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) – sofern es sich um einen ausländischen Abnehmer i.S.v. § 6 Abs. 2 UStG handelt – in ein Drittlandsgebiet.
Innergemeinschaftliche Lieferung
ist demgegenüber die Versendung oder Beförderung des Liefergegenstands durch den Unternehmer oder den Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet, wenn es sich bei dem Abnehmer um einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer handelt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG).
Der Unternehmer hat dabei die Ausfuhr durch Belege nachzuweisen (§ 6 Abs. 4 UStG und §§ 8–11 UStDV) und bestimmte Aufzeichnungen in seiner Buchführung vorzunehmen (§ 13 UStDV). Für den Nachweis der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gilt dies entsprechend (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG und §§ 17a bis 17d UStDV). Unter einem Buchnachweis ist ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen. Der Buchnachweis verlangt
daher mehr
als den bloßen Nachweis entweder nur durch Aufzeichnungen oder nur durch Belege. Belege werden durch die entsprechenden und erforderlichen Hinweise bzw. Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufzeichnungen Bestandteil der Buchführung und damit des Buchnachweises, so dass beide eine Einheit bilden.
1) Nachweise bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Nach § 17d Abs. 1 Satz 1 UStDV hat der Unternehmer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung einschließlich der USt-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachzuweisen. Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein.
a) Gelangensvermutung
Seit dem 1.1.2020 ist in § 17a UStDV eine widerlegbare Vermutungsregelung eingeführt worden. Sind die darin genannten Voraussetzungen erfüllt, wird davon ausgegangen, dass die Waren tatsächlich in das EU-Ausland gelangt sind. Für Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen wird nämlich vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass er oder ein von ihm beauftragter Dritter (z. B. Spediteur) den Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Er ist außerdem im Besitz der in § 17a Abs. 1 Nr. 1 UStDV genannten Belege. Die Belege müssen von unterschiedlichen Parteien ausgestellt werden, die sowohl voneinander als auch vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind. Der liefernde Unternehmer muss Beförderungs- und Versendungsbelege vorweisen können, d. h. insbesondere einen CMR-Frachtbrief, ein Konnossement, eine Luftfracht-Rechnung oder ein Doppelstück davon.
Kann der Beförderungs- oder Versendungsbeleg nicht vorgelegt werden, so kann dieser durch einen weiteren geeigneten Beleg ersetzt werden, sofern daraus ersichtlich wird, dass der Gegenstand tatsächlich in das EU-Ausland gelangt ist. Folgende Unterlagen kommen bspw. als Nachweise in Betracht:
2) Nachweise bei Ausfuhrlieferungen
EU-einheitlich besteht seit dem 1.7.2009 die Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren. Die Pflicht zur Abgabe elektronischer Anmeldungen betrifft alle Anmeldungen unabhängig vom Beförderungsweg (Straßen-, Luft-, See-, Post- und Bahnverkehr). Anhand dieses ATLAS-Systems wird insbesondere elektronisch überwacht, ob die zur Ausfuhr angemeldeten Waren auch den tatsächlich ausgeführten Waren entsprechen.
Der Ausführer bzw. der Anmelder der Ausfuhr
erhält auf Grundlage der Ausgangsbestätigung der Ausgangszollstelle einen sogenannten (elektronischen) „Ausgangsvermerk“, der neben den Daten der ursprünglichen Ausfuhranmeldung auch die Feststellungen der Zollstelle beinhaltet. Dieser Ausgangsvermerk dient bei der Ausfuhr als Belegnachweis. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ware vom Lieferanten oder Abnehmer selbst transportiert wird (Beförderungsfall)
oder zum Beispiel eine Spedition eingeschaltet ist (Versendungsfall).
In Beförderungsfällen, die nicht elektronisch angemeldet werden, muss der Lieferant den belegmäßigen Ausfuhrnachweis durch eine Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates, die den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwacht, erbringen (vgl. § 9 UStDV i.V.m. Abschn. 6.6. UStAE). Der Beleg, auf dem die Ausfuhr- oder Abfertigungsbestätigung der Zollstelle erfolgt, soll außerdem den Namen und die Anschrift des Lieferanten, die handelsübliche Bezeichnung und die Menge der ausgeführten Ware sowie den Ort und den Tag der Ausfuhr enthalten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 UStDV). Sonderregelungen gelten bei der Ausfuhr von Fahrzeugen, die für den Straßenverkehr zugelassen sind.
Ist es in einem Versendungsfall
dem Lieferanten nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis in der beschriebenen Weise zu führen, kann er die Ausfuhr mit der so genannten weißen Spediteursbescheinigung
nachweisen. Außerdem werden unter den genannten Voraussetzungen noch weitere Versendungsbelege akzeptiert. Dies können insbesondere der handelsrechtliche Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet sein muss, das Konnossement, der Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke sein. In diesen Fällen muss der Beleg zusätzlich die Versendungsbezugsnummer der Auftragsanmeldung (Master Reference Number – MRN) enthalten (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 UStDV).
Ausfuhren, die nicht elektronisch angemeldet werden, müssen mit den o.g. Versendungsbelegen nachgewiesen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV i.V.m. Abschn. 6.7. UStAE).
In den Fällen, in denen die gelieferte Ware vor der Ausfuhr in das Drittlandsgebiet von einem oder mehreren Beauftragten des Kunden bearbeitet oder verarbeitet wird, soll der Lieferant der Ware zusätzlich diese Be- oder Verarbeitung belegmäßig nachweisen (vgl. § 11 UStDV i.V.m. Abschn. 6.8. UStAE).
III. Nachweispflichten im Hinblick auf die USt-Sonderprüfung
Da beim innergemeinschaftlichen Warenverkehr durch sog. Karussellgeschäfte hohe Umsatzsteuerausfälle drohen, prüft die Finanzverwaltung hier insbesondere den Warenweg sowie die Buch- und Belegnachweise. Insofern steht die Frage, ob die Buch- und Belegnachweise ordnungsgemäß sind, häufig im Fokus der Sonderprüfer.
1) Grundlagen der USt-Sonderprüfung
Die USt-Sonderprüfung wird grundsätzlich mit einer schriftlichen Prüfungsanordnung
angekündigt, und zwar in der Regel bei Großbetrieben mindestens vier Wochen und in anderen Fällen mindestens zwei Wochen vor Beginn der Prüfung. Die Anordnung beinhaltet die Rechtsgrundlage, die zu prüfenden Sachverhalte, den Prüfungszeitraum und den Namen des Prüfers. Im Rahmen der Prüfung trifft den betroffenen Unternehmer eine Mitwirkungspflicht. Er hat insbesondere alle erforderlichen Unterlagen (Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere, Urkunden) vorzulegen und notwendige Auskünfte zum besseren Verständnis dieser Unterlagen zu erteilen.
2) Archivierung bzw. Aufbewahrungspflicht von Belegnachweisen
Grundsätzlich trägt der Unternehmer die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben müssen. Kann der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen, besteht das Risiko, dass die Steuerbefreiung
der entsprechenden Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftlichen Lieferung versagt
wird.
In der Regel sind nur Original-Belege als Belegnachweise geeignet. Hierzu gehören auch die Doppelstücke der Konnossemente sowie der Frachtbriefe. Fotokopien können nur in begründeten Ausnahmefällen verwendet werden.
Der Belegnachweis muss sich grundsätzlich im Besitz des nachweispflichtigen Unternehmers befinden und mindestens zehn Jahre
aufbewahrt werden. Es ist nicht ausreichend, wenn sich diese im Besitz eines anderen Unternehmers oder einer Behörde befinden. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist
noch nicht abgelaufen ist. Die Angaben in den Belegen für den Belegnachweis müssen im Geltungsbereich des Umsatzsteuergesetzes, somit im Inland, nachprüfbar sein.
Die Nachweisbelege sind grundsätzlich
in Papierform
anzufordern und aufzubewahren. Für bestimmte Belege ist eine elektronische Übermittlung jedoch auch zulässig. Bspw. kann die Gelangensbestätigung auf elektronischem Weg, z.B. per E-Mail, ggf. mit PDF- oder Textdateianhang, per Computer-Telefax oder Fax-Server, per Web-Download oder im Wege des elektronischen Datenaustauschs (EDI) übermittelt werden. Ein elektronisch übermittelter Nachweisbeleg kann, nicht nur elektronisch, sondern für Umsatzsteuerzwecke auch in ausgedruckter Form aufbewahrt werden. Eine elektronische Archivierung auch von in Papierform erhaltenen Belegen ist unter weiteren Voraussetzungen zulässig. Bei
der elektronischen Übermittlung
und/oder Archivierung von Belegnachweisen sind die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)
gem. BMF-Schreiben vom 14.11.2014 zu beachten.
In zeitlicher Hinsicht muss der Belegnachweis bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vorliegen. Den Buchnachweis hat der Unternehmer in seinen Grundzügen bis zu dem Zeitpunkt zu führen, zu dem er die Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum der Lieferung abzugeben hat.
3) Objektivnachweis in Ausnahmefällen
Die Steuerbefreiung ist ausnahmsweise aber auch dann zu gewähren, wenn zwar der Unternehmer die formellen Buch- und Belegnachweispflichten nicht erfüllt, gleichzeitig aber aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung ausgeführt worden ist. Dies ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen nicht den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden.
IV. Fazit
Im Ergebnis hat der Unternehmer also umfangreiche Nachweispflichten
zu erfüllen. Auch wenn die Steuerbefreiung ausnahmsweise bei Vorliegen der objektiven Beweislage gewährt werden kann, obwohl der Unternehmer die formellen Buch- und Belegnachweispflichten nicht erfüllt, sollte es im Interesse des Unternehmers sein, die vorgenannten Nachweispflichten gerade im Hinblick auf eine jederzeit drohende USt-Sonderprüfung ordnungsgemäß zu erfüllen.