Wenn ein Mietverhältnis endet, ist es gängige Praxis, dass der Vermieter über die Kaution abrechnet und der Mieter die gestellte Kaution ganz oder partiell, in der Regel spätestens sechs Monate nach Rückgabe der Mietsache, zurückerhält. Die Kaution dient während der Mietzeit als Sicherheitsleistung, um etwaige Schäden an der Mietsache oder ausstehende Mietzahlungen abzudecken. Nach Beendigung des Mietverhältnisses besteht jedoch häufig Uneinigkeit darüber, in welchem Umfang der Vermieter zur Rückzahlung der Kaution verpflichtet ist. Oftmals rechnen Vermieter mit der Kaution Gegenansprüche auf, die aus ihrer Sicht berechtigt sind, beispielsweise für Reparaturen, Reinigungskosten oder noch nicht abgerechnete Nebenkosten. Diese Situation kann zu Konflikten führen, bei denen rechtliche Kenntnisse und eine klare Kommunikation entscheidend sind, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Vorgehensweise in solchen Fällen sind komplex und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung und oft auch einer rechtlichen Beratung. Mit Urteil vom 10.07.2024 (Az. VIII ZR 184/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich entschieden, dass der Vermieter sogar mit verjährten Ansprüchen aufrechnen darf. Was dieses Urteil nun konkret für die Praxis bedeutet, wird in diesem Beitrag behandelt.
I. Grundlagen der Aufrechnung und der Verjährung
Die Aufrechnung, geregelt in den §§ 387 ff. BGB, ist ein sog. Gestaltungsrecht. Das heißt, wenn der Gläubiger gegen eine ihm gegenüber geltend gemachte Forderung aufrechnen will, muss er dies zunächst gegenüber der Gegenseite erklären (vgl. § 388 S. 1 BGB). Wenn Mieter ihre Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückfordern, rechnen Vermieter häufig mit ihnen zustehenden Gegenansprüchen auf. Aber auch mietrechtliche Ansprüche unterliegen der Verjährung. Die Verjährung regelt den Zeitraum, innerhalb dessen Ansprüche geltend gemacht werden können, bevor sie nicht mehr (gerichtlich) durchsetzbar sind. Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren innerhalb einer sehr kurzen Frist von nur sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB). Die Verjährung solcher Ersatzansprüche beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. § 215 BGB bestimmt, dass die Verjährung die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts jedoch nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte. Das bedeutet, dass sich die wechselseitigen Ansprüche lediglich zu irgendeinem Zeitpunkt unverjährt gegenübergestanden haben müssen. Dies setzt jedoch immer voraus, dass die wechselseitigen Ansprüche gleichartig sind (z.B. Geld gegen Geld) und kein übriges Aufrechnungshindernis besteht. Die Gleichartigkeit der Ansprüche bildete den Schwerpunkt des vom BGH kürzlich entschiedenen Falls.
II. Zum Urteil
In dem Sachverhalt, über den der BGH zu entscheiden hatte, forderte die Mieterin vom Vermieter nach Beendigung des Wohnungsmietvertrags und Rückgabe der Wohnung am 08.11.2019 die Rückzahlung der von ihr geleisteten Kaution in Höhe von rund 780 Euro. Mit Schreiben vom 20.05.2020 und somit nach Ablauf der Verjährungsfrist von sechs Monaten rechnete der Vermieter über die Kaution ab und erklärte dabei die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache. Die Mieterin klagte sodann auf Rückzahlung der Kaution und stützte sich bezüglich der Aufrechnung des Vermieters auf Verjährung, die bewirke, dass sie berechtigt sei, die Leistung zu verweigern.
Der BGH gab jedoch dem Vermieter Recht und stützte sich dabei auf § 215 BGB, wonach die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Zwar setze die Aufrechnung voraus, dass die wechselseitigen Ansprüche gleichartig sind. Was insofern problematisch ist, als dass der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters auf Geldzahlung gerichtet ist, während der Schadensersatzanspruch des Vermieters grundsätzlich erst auf Beseitigung der Schäden gerichtet ist. Der Vermieter habe jedoch nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine sogenannte Ersetzungsbefugnis. Das bedeutet, dass der Vermieter statt der Beseitigung der Schäden den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Entsprechend besteht damit auch für die Mieterin eine Geldleistungspflicht mit der Folge, dass die Ansprüche gleichartig sind.
Die Vorinstanz, das Landgericht Nürnberg-Fürth, hatte mit Urteil vom 25.07.2023 (Az. 7 S 3897/22) eine wirksame Aufrechnung abgelehnt. Nach Ansicht des Gerichts hätte der Vermieter die Ersetzungsbefugnis gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist ausüben müssen. Nur dadurch würde rechtzeitig eine Geldleistungspflicht entstehen, was die Gleichartigkeit der wechselseitigen Ansprüche sicherstellt.
Diese Entscheidung der Vorinstanz wurde durch den BGH nun aufgehoben. Als Begründung führte der BGH aus, dass die Ausübung der Ersetzungsbefugnis lediglich ein formaler Schritt sei, um rechtzeitig die Gleichartigkeit der Ansprüche herzustellen. Bei interessengerechter Auslegung der Kautionsabrede werde dieser Schritt nicht vorausgesetzt. Regelmäßig habe der Mieter kein Interesse daran, dass die Ausübung der Ersetzungsbefugnis noch in unverjährter Zeit erfolgt.
III. Auswirkungen des BGH-Urteils
Es stellt sich die Frage, ob sich die hiesige Rechtsprechung des BGH auch auf weitere Ansprüche des Vermieters wie z.B. aus dem Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen übertragen lässt. Dem ist beizufügen, dass nach den Ausführungen des BGH die Aufrechnung voraussetzt, dass die wechselseitigen Ansprüche gleichartig sind. Sowohl der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters als auch ein etwaiger Anspruch des Vermieters aus der Nebenkostenabrechnung sind auf Geldzahlung gerichtet und somit gleichartig. Demnach müsste der Vermieter auch hier trotz Verjährung eines Anspruchs aus der Nebenkostenabrechnung aufrechnen können.
IV. Was Sie jetzt tun sollten – Unser Tipp
Um Konflikte rund um die Mietkaution zu vermeiden und Ihre Rechte als Mieter oder Vermieter zu wahren, sollten Sie Folgendes beachten: Für Mieter empfiehlt es sich, dass diese bei Ein- und Auszug ein detailliertes Übergabeprotokoll mit Fotodokumentation erstellen, das den Zustand der Wohnung genau festhält und von beiden Parteien unterschrieben wird. Dies dient als Beweisgrundlage, falls es später zu Streitigkeiten über Schäden oder Abnutzungen kommt. Zudem sollte sichergestellt werden, dass der Vermieter die Kaution auf einem separaten Kautionskonto hinterlegt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Als Mieter sollte nach Beendigung des Mietverhältnisses die Rückzahlung der Kaution schriftlich und unter Setzung einer angemessenen Frist eingefordert werden. Eine angemessene Frist beträgt in der Regel vier bis sechs Wochen. Falls der Vermieter unberechtigte Abzüge vornimmt oder die Rückzahlung verzögert, kann es hilfreich sein, rechtlichen Rat einzuholen, um alle Ansprüche durchzusetzen.
Für Vermieter empfiehlt es sich, nach dem Auszug des Mieters eine angemessene Überlegungsfrist von bis zu sechs Monaten zu nutzen, um eventuelle Schäden oder ausstehende Forderungen zu prüfen. Jegliche Abzüge von der Kaution sollten klar und nachvollziehbar in einer detaillierten Abrechnung aufgeführt werden. Eine offene Kommunikation mit dem Mieter über die Gründe für Abzüge und die geplante Rückzahlung kann Missverständnisse vermeiden und zu einer gütlichen Einigung beitragen. Darüber hinaus sollten alle Vereinbarungen über die Mietkaution schriftlich im Mietvertrag festgehalten werden, um rechtliche Sicherheit für beide Parteien zu gewährleisten.
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