Die Möglichkeit fachlicher Weiterbildung gerät in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Arbeitswelt. Zum einen wird die Entwicklung der eigenen Expertise für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmend zu einem entscheidenden Kriterium bei der Arbeitgeberwahl. Zum anderen sind auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels daran interessiert, dass sich die Beschäftigten fachlich weiterbilden. Dabei werden die Fortbildungskosten häufig vom Arbeitgeber übernommen. Nicht selten werden für Fortbildungen und bezahlte Freistellung hohe Summen in die Entwicklung einzelner Mitarbeiter investiert. Für den Arbeitgeber stellt dieses Investment zunächst ein Risiko dar, welches dieser nach Möglichkeit gerne abgesichert wissen will.
Um die Amortisierung des in die Fortbildung investierten Geldes abzusichern, vereinbaren viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Rückzahlung der Fortbildungskosten bei Nichteinhaltung einer bestimmten Bindungsdauer. Zum Streit kann es kommen, wenn der Arbeitnehmer das Unternehmen vor Ablauf der Bindungsdauer verlässt und der Arbeitgeber auf die Rückzahlung der Fortbildungskosten besteht. Es existiert daher eine komplex ausgestaltete Rechtsprechung zu der wirksamen Gestaltung von Rückzahlungsklauseln. Mit einer solchen Rückzahlungsvereinbarung beschäftigt sich auch das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 1. März 2022, welches noch einmal deutlich zeigt, dass der Teufel auch hier im Detail steckt.
II. Die Entscheidung des BAG
1. Sachverhalt
Im vorliegenden Fall war die beklagte Arbeitnehmerin als Altenpflegerin bei der Klägerin, einer Reha-Klinik, mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 2.950,00 € angestellt. Für die Teilnahme an einer Fortbildung schlossen die Klägerin und die Beklagte eine Fortbildungsvereinbarung ab. Diese lautete auf eine Bindungsdauer von 6 Monaten, wobei sich die Rückzahlungssumme monatsweise um 1/6 verringern sollte. Die Rückzahlung war für den Fall der nicht von der Arbeitgeberin zu vertretenden Kündigung durch die Arbeitnehmerin sowie für den Fall der arbeitgeberseitigen verhaltensbedingten Kündigung vorgesehen. Der Arbeitgeberin entstanden für die Fortbildung insgesamt Kosten, aus Kursgebühren sowie bezahlter Freistellung, in Höhe von 4.090,00 €.
Die Beklagte beendete die Fortbildung erfolgreich am 3. Dezember 2019. Bereits mit Schreiben vom 29. November 2019 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum Februar 2020. Da die Beklagte somit innerhalb der Bindungsfrist das Arbeitsverhältnis kündigte, forderte die Klägerin die Beklagte daraufhin auf, die Fortbildungskosten gemäß der Vereinbarung anteilig in Höhe von 2.726,68 € zurückzuzahlen.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Würzburg sowie das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hatten die Klage hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung abgewiesen.
2. Rechtliche Würdigung
Das BAG folgte in seiner Entscheidung den Vorinstanzen und wies die Klage der Arbeitgeberin ab. Die Rückzahlungsklausel der Fortbildungsvereinbarung halte einer AGB-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Vielmehr benachteilige sie den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und sei daher unwirksam.
Dabei stellte das BAG zunächst noch einmal fest, dass eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer die Kosten des Arbeitgebers einer Fortbildung anteilig übernimmt, sofern er vor Ablauf der Bindungsfrist ausscheidet, grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung darstellt.
Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers sei allerdings dann gegeben, wenn die Rückzahlungspflicht an jegliche Gründe des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis geknüpft ist. Dies gelte auch für Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, wenn die Vereinbarung keine weiteren Einschränkungen dazu vorsieht. Zwar habe die vorliegende Vereinbarung die Kündigung aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, aus der Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen.
Allerdings liege die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegend darin, dass der Arbeitnehmer, wenn er ohne sein Verschulden dauerhaft an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist, auch zur Rückzahlung verpflichtet sei. Sobald der Arbeitnehmer aber dauerhaft an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist, so kann der Arbeitgeber die zusätzliche Qualifikation des Arbeitnehmers ohnehin nicht nutzen. Eine Amortisierung der Fortbildungskosten ist damit jedenfalls ausgeschlossen. Deshalb kommt dem Arbeitgeber in solchen Fällen auch kein billigenswertes Interesse an dem Fortbestand des „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses zu. Vielmehr sei der unverschuldete Leistungsausfall dem unternehmerischen Risiko zuzuordnen.
Der Arbeitnehmer werde durch eine solche Vereinbarung auch in seiner Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG eingeschränkt, da er im Zweifel nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ohne Lohn an dem Arbeitsverhältnis festhalten müsste, um einer Rückzahlungspflicht zu entgehen.
Die Rückzahlungsklausel war somit insgesamt nichtig. Das BAG lehnte daher eine Rückzahlungsverpflichtung der beklagten Arbeitnehmerin ab.
III. Die wirksame Rückzahlungsvereinbarung
Ist eine wirksame Rückzahlungsverpflichtung nach den strengen Vorgaben des BAG für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber überhaupt möglich? Selbstverständlich – allerdings müssen sich Arbeitgeber dazu an den strengen Vorgaben des BAG ausrichten.
Im Folgenden sollen einige „Klassiker“ das juristische Bauchgefühl für Personalerinnen und Personaler stärken, um Handlungsbedarf bei den eigenen (Muster-) Vereinbarungen zu erkennen.
1. Mehrwert für Arbeitnehmer
Zunächst muss eine Fortbildung, für die der Arbeitgeber die Rückzahlung vereinbaren möchte, für den Arbeitnehmer einen messbaren Mehrwert haben. Dieser Mehrwert darf sich dabei nicht nur auf das bestehende Arbeitsverhältnis beziehen. Vielmehr müssen berufliche Fähigkeiten und Kenntnisse vertieft werden, die beispielsweise zu besseren Chancen am Arbeitsmarkt oder einer höheren Vergütungserwartung führen.
2. Ausnahmen von der Rückzahlungsverpflichtung
Wie bereits in der vorliegenden Entscheidung dargestellt, müssen von der Rückzahlungsverpflichtung Ausnahmen gemacht werden. Andernfalls ist eine solche Vereinbarung unangemessen benachteiligend zu Lasten des Arbeitnehmers und regelmäßig in Gänze unwirksam. Insofern muss unterschieden werden, welcher Sphäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist. So darf eine arbeitgeberseitige Kündigung, die ohne Verschulden des einzelnen Mitarbeiters erfolgt, keine Rückzahlungspflicht auslösen. Daher ist beispielsweise die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung von der Rückzahlungspflicht auszunehmen.
Auch der pauschale Verweis auf eine Rückzahlungspflicht bei Arbeitnehmerkündigung berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Arbeitnehmer auch aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers zur Kündigung veranlasst werden kann – und ist damit unwirksam.
3. Bindungsdauer
Für eine wirksame Fortbildungsvereinbarung müssen sich Arbeitgeber auch bezüglich der Bindungsdauer von einer pauschalen Lösung ohne Einzelfallbetrachtung verabschieden, denn die Bindungsdauer muss im angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Fortbildungsmaßnahme stehen. Hierzu hat sich eine differenzierte Rechtsprechung herausgebildet, die als Richtwert für die korrekte Bindungsdauer genutzt werden sollte.
Das BAG orientiert sich dabei am Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers. So können bei Fortbildungskosten, die insgesamt (also unter Berücksichtigung von Kursgebühren, bezahlter Freistellung, Verpflegungskosten usw.) bis zu einem Bruttomonatsgehalt betragen, maximal sechs Monate Bindungsdauer vereinbart werden. Bei zwei Monatsgehältern darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer bereits ein Jahr, bei vier Monatsgehältern sogar zwei Jahre, an sich binden.
IV. Fazit und Praxisempfehlung
Personalerinnen und Personaler sind gut beraten, die hauseigenen Vorlagen zu Fortbildungsvereinbarungen und insbesondere zu Rückzahlungsklauseln zu prüfen und im Zweifel anzupassen. Eine Vereinbarung – wie im vorliegenden Fall – kann sich im Falle der gerichtlichen Auseinandersetzung auch dann nachteilig für den Arbeitgeber auswirken, wenn augenscheinlich alles zu seinen Gunsten spricht, also die Bindungsdauer korrekt berechnet wurde und auch Kündigungen von Seiten oder auf Anlass des Arbeitgebers von der Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen wurden. Es bedarf daher der konkreten Überprüfung der jeweiligen Vereinbarung, um Fortbildungskosten wirksam abzusichern und den Arbeitnehmer im Zweifel zur Rückzahlung verpflichten zu können.