I. Ausgangslage
Einer der wesentlichen Beweggründe eine GmbH & Co. KG zu gründen, ist das Konzept der Haftungsbeschränkung durch die Kombination der haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft mit einer Personengesellschaft. Die Rechtsform der Kommanditgesellschaft gewährleistet, dass sich die Haftung der Kommanditisten beschränken lässt, während die Komplementärin zwingend persönlich haftet. Wählt man als Komplementärin jedoch eine ihrerseits haftungsbeschränkte GmbH, so ergibt sich ein Konzept der umfassenden Haftungsbeschränkung. Davon ausgenommen ist nur die Komplementär-GmbH die zwingend persönlich haftet. Das stellt in der Praxis jedoch regelmäßig kein Problem dar, da diese Komplementär-GmbH nicht mit relevantem Kapital ausgestattet wird.
Ein Haftungsdurchgriff auf Kommanditisten ist grundsätzlich ausgeschlossen. Soweit der Kommanditist seine Einlage geleistet hat, kann er nicht in Anspruch genommen werden. Das ändert sich allerdings dann, wenn und soweit der Kommanditist seine Einlage (teilweise) zurückerhält.
Mit diesem Beitrag möchten wir auf das Risiko eines Durchgriffs von Gläubigern auf Kommanditisten bei mehrstöckigen Kommanditgesellschaften hinweisen.
II. BGH Urteil vom 03.08.2021
1. Haftung in der Kette
Mit jüngster Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof einen solchen Haftungsdurchgriff angenommen. Der BGH entschied, dass ein Kommanditist einer Obergesellschaft in einer besonderen Konstellation direkt gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft haften kann.
In dem entschiedenen Fall war der Beklagte natürliche Person und Kommanditist („Kommanditist“) einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG („Obergesellschaft“) welche wiederum Kommanditistin von weiteren Kommanditgesellschaften („Untergesellschaften“) war. Kläger war der Insolvenzverwalter der Untergesellschaften. Die Obergesellschaft erhielt zu Unrecht Gewinnausschüttungen von der Untergesellschaft, die nicht durch Gewinne gedeckt waren und der Beklagte erhielt - in einem zweiten Schritt - zu Unrecht Gewinnausschüttungen von der Obergesellschaft, die nicht durch Gewinne der Obergesellschaft gedeckt waren.
In der Folgezeit meldete die Untergesellschaft Insolvenz an. In der Insolvenz verurteilte der BGH den Kommanditisten zur Rückzahlung der von der Obergesellschaft zu Unrecht erhaltenen Summen an den Insolvenzverwalter der Untergesellschaften.
Die besondere Konstellation des Falles liegt darin, dass der Beklagte kein unmittelbarer Gesellschafter der Untergesellschaften war, die Außenhaftung mithin „durch die Beteiligungskette“ greift. Nur die Obergesellschaft erhielt unmittelbar Gewinnausschüttungen von der Untergesellschaft. Der BGH urteilte jedoch, dass der Kommanditist einer Kommanditgesellschaft, die als Obergesellschaft an einer anderen Kommanditgesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist, auch direkt gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft haftet. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Diese durchgreifende Außenhaftung basiert auf folgendem Gedankengang: Dadurch, dass die Obergesellschaft eine Rückgewähr der Kommanditeinlage erhalten hatte, haftete die Obergesellschaft im Wege der Außenhaftung, auch gegenüber der Untergesellschaft. Die Untergesellschaft wurde durch die rechtswidrige Rückgewähr der Kommanditeinlage (im unteren Rechtsverhältnis) zur Gläubigerin der Obergesellschaft. Der Kommanditist wiederum haftet im Gesellschafterverhältnis gegenüber den Gläubigern der Obergesellschaft aufgrund einer weiteren Rückgewährung der Kommanditeinlage auch in diesem oberen Gesellschafterverhältnis. Da auch die Untergesellschaft Gläubigerin der Obergesellschaft ist, haftet der Kommanditist mithin direkt.
Der BGH führte wie folgt aus: „Eine solche Verbindlichkeit, für die der Kommanditist der Obergesellschaft haftet, ist auch die Außenhaftung der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Dementsprechend können außerhalb der Insolvenz die Gläubiger der Untergesellschaft unmittelbar auf die Kommanditisten der Obergesellschaft zugreifen, soweit die Voraussetzungen ihrer Haftung im Übrigen vorliegen.“
Da der BGH den Kommanditisten der Obergesellschaft zur Zahlung verurteilte, bejaht er damit eine Durchgriffshaftung auf Gesellschafter im mehrstöckigen Konzern von Personengesellschaften.
Einhellige und geltende Rechtslage ist, dass ein (direkter) Kommanditist solche Summen zurückzahlen muss, die er von der Gesellschaft erhält, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage zu Unrecht ausgezahlt wurden. Eine solche Rückzahlung begründet eine Außenhaftung des Kommanditisten. Der Kommanditist haftet mithin direkt gegenüber den Gläubigern seiner Gesellschaft. Dies gilt grundsätzlich für alle Forderungen, unabhängig von Höhe und Art und es gilt außerdem gegenüber sämtlichen Gläubigern.
Die Tatsache, dass die Obergesellschaft die Rückzahlung zulasten der Untergesellschaft erhalten hat, bedeutet daher nicht, dass allein die Untergesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung (oder Wiedereinlage) der Kommanditeinlage hätte. Vielmehr begründet eine solche Rückzahlung der Kommanditeinlage eine Außenhaftung des Kommanditisten gegenüber sämtlichen Gläubigern. Daher haftet der Kommanditist der Obergesellschaft gegenüber sämtlichen Gläubigern der Untergesellschaft.
2. Haftung nur bei Rückzahlung der Kommanditeinlage auf allen Ebenen
Das Urteil des BGH dürfte aber so zu verstehen sein, dass für eine solche Außenhaftung in der Beteiligungskette ein grundsätzlicher Anspruch zwischen der Obergesellschaft und dem Kommanditisten und mithin auch in diesem oberen Verhältnis eine Außenhaftung bestehen muss.
Auf Basis dieser komplexen Rechtsverhältnisse dürfte der BGH die Durchgriffshaftung mithin an zwei Voraussetzungen knüpfen:
1. Es ist eine Rückgewähr der Kommanditeinlage der Untergesellschaft an die Obergesellschaft erfolgt, welche zu einer Außenhaftung der Obergesellschaft führt
und
2. es ist außerdem eine Rückgewähr der Kommanditeinlage der Obergesellschaft an ihren Kommanditisten erfolgt, welche zu einer Außenhaftung des Kommanditisten führt.
Nur wenn mithin Rückzahlungen der Kommanditeinlage auf beiden Ebenen erfolgt sind, kann es zur Außenhaftung des Kommanditisten im Verhältnis zu Untergesellschaften kommen.
Führt man den Gedankengang der Rechtsprechung zur Außenhaftung fort, wäre wohl damit zu rechnen, dass eine Außenhaftung von Kommanditisten auch in längeren Beteiligungsketten begründet sein könnte, aber wohl nur wenn „die Voraussetzungen ihrer Haftung im Übrigen vorliegen“.
Aus dem vorstehenden letzten Halbsatz der Rechtsprechung dürfte folgendes zu schließen sein: Sofern sich umgekehrt die jeweilige Gewinnausschüttung im Verhältnis zwischen dem Kommanditisten und der Obergesellschaft als rechtmäßig darstellen würde, dürfte der Kommanditist keinen Grund haben, die erhaltene Summe zurückzuzahlen. Die Rechtswidrigkeit einer Zahlung der Untergesellschaft an die Obergesellschaft dürfte von diesem Rechtsverhältnis zwischen Obergesellschaft und Kommanditisten losgelöst sein.
Nur so wird die gesetzlich zwingende Haftungsbeschränkung des Kommanditisten bei vollständiger Leistung der Einlage nicht aufgeweicht.
Der BGH nimmt mithin nicht in jedem Fall an, dass eine Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage im unteren Verhältnis auf jegliche Auszahlung im oberen Verhältnis durchschlägt, wenn kein Anspruch im Verhältnis der Obergesellschaft zu ihrem Kommanditisten besteht.
Insbesondere stellt sich bei einem solchen Sachverhalt die Frage nach der Rechtslage, wenn sich eine Auszahlung im Gesellschafterverhältnis der Untergesellschaft als Rückgewähr der Kommanditeinlage dar-stellt, im Gesellschafterverhältnis der Obergesellschaft Auszahlungen jedoch nur in einer Höhe vorgenommen werden, dass sie im oberen Verhältnis rechtlich nicht zu beanstanden sind.
Daran knüpft sich die Folgefrage, ob und inwieweit eine Ausschüttung der Obergesellschaft an ihren Kommanditisten noch als rechtmäßig angesehen werden kann, wenn die Obergesellschaft eine Rückgewähr ihrer Einlage von der Untergesellschaft erhalten hat.
Reicht die Obergesellschaft also den Teil der durch Rückgewähr der Einlage erhaltenen „Gewinne“ nicht an ihren Kommanditisten weiter, sondern nur die auf der oberen Ebene erwirtschafteten Gewinne, so dürfte zulasten des Kommanditisten wohl keine Außenhaftung entstehen. Kurz gesagt: Zulasten des Kommanditisten dürfte eine Außenhaftung nur begründet werden, wenn er Gelder erhält, an denen sich die Rechtswidrigkeit der Auszahlung im unteren Verhältnis fortsetzt. Nicht klar ist dabei, ob und inwieweit die Rückgewähr im Unterverhältnis Ausschüttungen im Oberverhältnis „infizieren“ kann. Diese Fallkonstellationen wurden nicht ausdrücklich mitentschieden; aus dem Urteil dürften daher keine eindeutigen Rückschlüsse für andere Konstellationen zu ziehen sein. Dies zeigt, dass es zu komplexen Rechtsverhältnissen kommen kann, die wohl nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden können.
III. Unser Tipp
Kommanditisten im mehrstöckigen Personengesellschaftskonzern dürften von einer Außenhaftung wohl verschont bleiben, wenn sie im Verhältnis zu ihrer Gesellschaft (der Obergesellschaft) keine Gelder annehmen, die sich als Rückgewähr der Kommanditeinlage im oberen Verhältnis darstellen. Um beurteilen zu können, ob sich an einer Gewinnausschüttung der Obergesellschaft eine rechtswidrige Rückgewähr einer Kommanditeinlage durch die Untergesellschaft fortsetzt, müssen Kommanditisten auf Basis der Rechtsprechung des BGH aber wohl auch die Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Kommanditeinlage der Untergesellschaft prüfen. Des Weiteren kann auch die Abgrenzung weitere zu beurteilende Rechtsfragen aufwerfen.
Sollten Sie Fragen im Hinblick auf Auszahlungen im mehrstöckigen Konzern haben, unterstützen wir Sie gerne.