Mit Veröffentlichung des Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) vom 3.6.2021 wurde u.a. § 19a EStG wiederbelebt. Gegenstand der Vorschrift ist die steuerliche Behandlung der Ausgabe von Unternehmensanteilen an Mitarbeiter. Der Gesetzgeber verfolgt dabei das Ziel, die Rahmenbedingungen u.a. für Startups zu verbessern und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zu steigern. Erreicht werden soll das Ziel, indem die Gewährung von Anteilen an Mitarbeiter steuerlich gefördert wird und Startups insbesondere in der Gründungs- und Wachstumsphase unterstützt werden, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig an ihr Unternehmen zu binden.
Durch Verabschiedung von § 19a EStG ist der Gesetzgeber bestrebt, in besonderem Maße für Startups optimale Rahmenbedingungen zur Gewinnung von hochqualifizierten Fachkräften zu schaffen. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung seien Startup-Unternehmen in der Gründungs- und der Wachstumsphase oft nicht in der Lage, hohe Vergütungen zu zahlen, da sie noch keine Gewinne erwirtschafteten. Besonders in diesem Stadium sei es aber wichtig, qualifiziertes und motiviertes Personal zu beschäftigen (BT-Drs. 19/27631, S. 109).
Das Ziel, gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden und diese längerfristig im Unternehmen zu halten, kann u.a. dadurch erreicht werden, Arbeitnehmer unmittelbar an das Unternehmen zu binden und sie an dessen Chancen und Potentialen teilhaben zu lassen.
Neben gesellschafts- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen, die mit der Beteiligung von Mitarbeitern an einem Unternehmen einhergehen, wird ein solcher Weg nur erfolgreich sein, wenn auch die steuerlichen Rahmenbedingungen stimmen und auch aus Sicht des Arbeitnehmers attraktiv sowie wirtschaftlich sinnvoll erscheinen. So stellt die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von Anteilen am Unternehmen unter ertragsteuerlichen Gesichtspunkten zunächst einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil (Sachbezug) dar, welcher der Einkommensteuer zu unterwerfen ist. Erhoben würde die Einkommensteuer im Zeitpunkt der Anteilsgewährung im Wege des Einbehalts von Lohnsteuer. Es käme somit zur Zahlung von Einkommensteuer, ohne dass ihr ein Zufluss an Liquidität vorausginge (sog. dry income). Der die Anteile erhaltende Mitarbeiter müsste danach in Vorleistung treten. Je nach Wert der erhaltenen Beteiligung, welcher die Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer bildet, kann dies zu einer höheren finanziellen Belastung führen.
§ 19a EStG n.F. führt nun u.a. zu einer – wirtschaftlich betrachtet – zinsfreien Stundung der grundsätzlich im Zeitpunkt der Gewährung der Anteile anfallenden Steuer. Erhoben wird die Steuer zu einem späteren Zeitpunkt bspw. in den Fällen, in denen die Anteile veräußert oder das Arbeitsverhältnis beendet werden.
II. Anwendungsbereich
Unter § 19a EStG fallen die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung von Vermögensbeteiligungen, bspw. in Form von Aktien, GmbH-Anteile oder Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen. Ausgenommen von der Vorschrift sind dagegen virtuelle Beteiligungen, z.B. in Form von Phantom Stocks
oder Stock Appriciation Rights.
Es muss sich um Anteile „des Arbeitsgebers“ handeln. Darunter fallen zunächst solche Gesellschaftsrechte, die zu einer unmittelbaren Beteiligung am Arbeitsgeber führen. Nach Stimmen in der Literatur sollen aber auch Vermögensbeteiligungen begünstigt sein, die nicht unmittelbar selbst vom Arbeitgeber ausgegeben werden, sondern bspw. an einer Konzern-Obergesellschaft bestehen.
Von der Regelung erfasst werden auch mittelbare Beteiligungen, die über eine Personengesellschaft gehalten werden. Mitarbeiter bzw. die an sie gewährten Anteile könnten daher in Beteiligungsgesellschaften – z.B. einer Mitarbeiterbeteiligungs-KG – „gepoolt“ werden. Eine Poolung bietet den Vorteil, den Kreis der Gesellschafter kleiner und überschaubarer zu halten und eine weite Steuerung des Anteilsbesitzes zu vermeiden.
Die Vermögensbeteiligung muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Entgeltumwandlungen sind bspw. nicht begünstigt.
Um in den Genuss der Steuervergünstigung zu gelangen, muss das Unternehmen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Angeknüpft wird dafür an die Definition der EU für Kleinstunternehmen sowie für kleine und mittlere Unternehmen. Danach darf das Unternehmen im Zeitpunkt der Anteilsübertragung oder im vorangegangenen Kalenderjahr über nicht mehr als 250 Mitarbeiter sowie über einen Jahresumsatz von höchsten 50 Mio. EUR oder eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR verfügen. In Gänze von der Förderung ausgeschlossen sind Anteile an Unternehmen, deren Gründung mehr als zwölf Jahre zurückliegt.
§ 19a EStG n.F. ist auf alle Übertragungsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 stattfinden.
III. Bestimmung des geldwerten Vorteils
Zu ermitteln ist der geldwerte Vorteile aus dem Sachbezug. Der Vorteil ergibt sich dabei aus der Differenz zwischen dem Wert der Vermögensbeteiligung im Übertragungszeitpunkt einerseits und einer etwaigen vom Arbeitnehmer geleisteten Zuzahlung anderseits. Zuzahlungen kommen z.B. im Falle der verbilligten statt der unentgeltlichen Überlassung in Betracht, z.B. bei Ausübung einer Option in Form des zu leistenden Ausübungspreises. In Abzug gebracht wird noch ein Freibetrag von EUR 1.440,00 nach § 3 Nr. 39 EStG. Der Freibetrag ist beteiligungsbezogen und steht jedes Kalenderjahr neu zur Verfügung.
Herausfordernd wird die Bestimmung des Werts der Anteile. Denn der Wert eines solchen Sachbezugs besteht in dem Marktpreis der Beteiligung, welcher dem sog. gemeinen Wert entspricht.
Die Wertfindung gestaltet sich regelmäßig einfach, wenn ein Marktpreis z.B. in Form eines Börsenkurses jederzeit und tagesaktuell verfügbar ist. Kann ein Marktpreis hingegen nicht anhand eines Börsenkurses hergeleitet werden, was regelmäßig mangels Börsennotierung der Fall sein dürfte, wird eine Bewertung des Unternehmens nach den einschlägigen Methoden erforderlich.
Für steuerliche Zwecke finden dabei die Vorschriften des BewG und die darin verankerte Methodenhierarchie Anwendung. Sind Anteile an nicht börsennotierten Gesellschaften zu bewerten, soll der Wert danach zuvorderst aus Verkäufen abgeleitet werden, die innerhalb von zwölf Monaten vor dem Bewertungsstichtag stattfanden (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Können keine Veräußerungsvorgänge aus der Vergangenheit herangezogen werden, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Alternativ hierzu kann auch das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. BewG angewendet werden, sofern dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Insgesamt darf der Substanzwert aber nicht unterschritten werden.
Vor allen Dingen im Falle von Startups, die sich noch in der Aufbau- und Gründungsphase befinden und über eine vergleichsweise kurze Historie verfügen, bestehen in Bezug auf die Anteilsbewertung Unsicherheiten. Hat bspw. kürzlich eine Finanzierungsrunde stattgefunden, könnte die Finanzverwaltung für die Besteuerung den Unternehmenswert heranziehen, der Grundlage des Einstiegs des Investors war. Denn die mit dem Einstieg einhergehende Kapitalerhöhung könnte als Verkauf i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG gewertet werden. Wird demgegenüber für die Wertfindung ein Discounted-Cash-Flow-Verfahren herangezogen, kann die Prognose der künftigen Cash-Flows Schwierigkeiten bereiten. In Bezug auf das vereinfachte Ertragswertverfahren äußert bereits die Finanzverwaltung in ihren Erlassen selbst Zweifel an dessen Eignung. So könne gerade bei neu gegründeten Unternehmen eine Bewertung nach §§ 199 ff. BewG zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen, da hier eine Ableitung des künftigen Jahresertrages aus Vergangenheitserträgen noch nicht möglich sei (R B 199.1 Abs. 6 ErbStR). Vor der Entscheidung über die Ausgabe von Anteilen an Arbeitnehmer ist daher auch der Frage der Wertfindung ein besonderes Augenmerk zu widmen und die gegebenen Umstände von Fall zu Fall zu beleuchten.
Um Rechtssicherheit in Bezug auf die Bewertung zu erlangen, hat das Betriebsstättenfinanzamt nach der Übertragung einer Vermögensbeteiligung im Rahmen einer Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) den vom Arbeitgeber nicht besteuerten Vorteil jedoch zu bestätigen (§ 19a Abs. 5 EStG). So sollen Diskussionen im Zeitpunkt der Besteuerung, welcher maximal zwölf Jahre später liegen kann, zumindest vermieden werden.
IV. Aufschiebung der Besteuerung
Nach § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegt der dem Arbeitnehmer zufließende geldwerte Vorteil im Kalenderjahr der Zuwendung nicht der Besteuerung. Wirtschaftlich betrachtet wird die Steuer zinslos gestundet.
Die Anwendung der Regelung muss im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens erklärt werden. Dabei ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. § 19a EStG ist somit ein Wahlrecht, welches im Übertragungszeitpunkt bzw. dem Zeitpunkt der jeweiligen Lohnabrechnung auszuüben ist. Zur Nichtbesteuerung kann nicht mehr im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung optiert werden.
Wann der Besteuerungsaufschub endet, ist von verschiedenen Fallkonstellationen abhängig. So tritt die spätere Besteuerung ein, wenn:
- die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird, insbesondere auch in den Fällen des § 17 Abs. 4 und des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG oder bei Einlagen in ein Betriebsvermögen,
- seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung zwölf Jahre vergangen sind oder
- das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird. Übernimmt der Arbeitgeber in diesem Fall die Lohnsteuer, ist der übernommene Abzugsbetrag nicht Teil des zu besteuernden Arbeitslohns.
Tritt einer der vorstehenden Fälle ein, unterliegen die bis dato nicht besteuerten geldwerten Vorteile vollumfänglich der Besteuerung. Erhoben und abgeführt wird die Steuer im Wege des Lohnsteuereinbehalts durch den Arbeitgeber.
Sind seit der Übertragung der Anteile mindestens drei Jahre vergangen, ist bei der Ermittlung der Steuerlast die Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden. § 19a EStG beinhaltet damit neben der zinslosen Stundung zugleich auch eine tarifliche Ermäßigung.
Ist der Wert der Anteile zwischen dem Zeitpunkt der damaligen Übertragung und dem Zeitpunkt der Besteuerung gesunken, unterliegt die Differenz zum damaligen Wert abzüglich etwaiger vom Mitarbeiter seinerzeit zu leistender Zuzahlungen, nicht der Besteuerung. Vermieden werden soll hierdurch eine Besteuerung im Verlustfall.
Die Steuerbefreiung führt jedoch nicht dazu, dass in gleicher Weise auf etwaige Sozialversicherungsbeiträge zeitlich befristet verzichtet wird. Der Sachbezug unterliegt in vollem Umfang im Zeitpunkt der Anteilsübertragung der Sozialversicherungspflicht. Jene Sozialversicherungspflicht führt im Weiteren dazu, dass der später zu versteuernde Arbeitslohn bei der Berechnung der Vorsorgepauschale nach § 39b Abs. 2 Satz 5 EStG sodann unberücksichtigt bleibt.
V. Weitere Behandlung der Anteile auf Ebene des Mitarbeiters
Die Anschaffungskosten der gewährten Anteile sind auf Ebene des Mitarbeiters mit deren gemeinen Wert anzusetzen. Bezieht der Mitarbeiter Ausschüttungen führen diese zu Einkünfte aus Kapitalvermögen. In Abhängigkeit von der Beteiligungshöhe und dem Vorhandensein weiterer Voraussetzungen werden die Dividendenbezüge entweder der Abgeltungssteuer oder dem sog. Teileinkünfteverfahren unterworfen, nach dem 60 v.H. der Dividenden mit dem regulären Tarif besteuert werden.
Werden die Anteile zu einem späteren Zeitpunkt veräußert, ist die Besteuerung des Veräußerungsgewinns ebenfalls von der Höhe der Beteiligung abhängig. Liegt eine Beteiligungsquote von mindestens 1% vor, führt die Veräußerung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG mit der Folge, dass bspw. Gewinne nach § 3 Nr. 40 Buchst. c i.V.m. 3c Abs. 2 EStG zu 40 % steuerfrei gestellt werden. Handelt es sich dagegen um eine Beteiligung von weniger als 1% führt die Veräußerung zu Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Der Gewinn unterliegt der Abgeltungssteuer.
IV. Fazit
Mit § 19a EStG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründer zu verbessern und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschlands zur Ansiedlung von Wachstumsunternehmen zu steigern. Die Vorschrift sieht steuerliche Vergünstigungen für Arbeitnehmer vor, wenn Mitarbeiter unmittelbar am Unternehmen und dessen künftigen Erfolg beteiligt werden.
Die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung von Anteilen führt zu einem geldwerten Vorteil, der im Zeitpunkt der Anteilsgewährung grundsätzlich der Besteuerung und Sozialversicherung unterliegt. Für alle Anteilsübertragungen, die nach dem 30.6.2021 erfolgen, wird nun durch § 19a EStG von der Besteuerung Abstand genommen. Der Besteuerungsaufschub kann maximal zwölf Jahre betragen.
Die Abstandnahme von der Besteuerung entfällt, wenn die Anteile bspw. durch den Arbeitnehmer veräußert werden oder das Arbeitsverhältnis endet. Liegt der Zeitpunkt der ursprünglichen Anteilsgewährung bereits mehr als drei Jahre zurück, erfolgt die Besteuerung unter Zugrundelegung der sog. Fünftel-Regelung.