I. Einleitung
Obwohl das Grunderwerbsteueraufkommen in Deutschland sich in den vergangenen 10 Jahren mehr als verdreifacht hat[!] – 2010 waren es noch € 5,3 Mrd. gegenüber € 16,1 Mrd. in 2020 – hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, die Besteuerung von gesellschaftsrechtlichen Erwerbsstrukturen im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) massiv zu verschärfen. Zielsetzung ist es, insbesondere vermeintlich missbräuchliche Gestaltungen zurückzudrängen und aus Sicht der Finanzverwaltung bestehende Besteuerungslücken bei der Grunderwerbsteuer zu schließen. Man hatte insbesondere Gestaltungen der Immobilienbranche im Auge, bei denen es zahlreiche Modelle gab und gibt, um Immobilientransaktionen im Kleide des Gesellschaftsrechts ohne oder mit nur marginaler Auslösung von Grunderwerbsteuer zu realisieren, wenn man nur über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt die Immobiliengesellschaft übertragen bzw. erworben hat.
Bei Kapitalgesellschaften mit Grundbesitz war zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer sogar schon ausreichend, wenn man die Anteile der Immobiliengesellschaft so auf zwei nicht konzernrechtlich miteinander verbundene Erwerber übertragen hat, dass keiner von beiden 95 % der Anteile alleine erworben hat.
Derartige Gestaltungen mit (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaften (share deals) waren der Finanzverwaltung schon seit Jahren ein Dorn im Auge und bereits 2016 gab es einen ersten Anlauf, die Bestimmungen des GrEStG in dieser Hinsicht zu ändern. Ein erster Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 31.07.2019 war trotz bereits erfolgter erster Lesung im Bundestag und erstmaliger Befassung des Bundesrats im Herbst 2019 „auf Eis gelegt worden“, nachdem man sich nicht auf eine finale Fassung hatte verständigen können. Die Koalitionsfraktionen wollten daraufhin die geplante Reform der Grunderwerbsteuer auf das erste Halbjahr 2020 verschieben und das Reformgesetz sollte im ersten Halbjahr 2020 verabschiedet werden, welches Vorhaben dann aber der COVID-19-Pandemie „zum Opfer fiel“.
Zur Überraschung der Praxis wurde das Reformvorhaben aber von der Bundesregierung im Frühjahr 2021 wieder aufgegriffen, um es doch noch in der laufenden Legislaturperiode umzusetzen. Am 21.04.2021 wurde das Reformgesetz in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag und am 07.05.2021 auch vom Bundesrat verabschiedet. Herausgekommen ist das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021, das am 01.07.2021 in Kraft tritt (BGBl. I 2021, 986 - im Weiteren auch nur „Reformgesetz“ genannt) und das nachfolgend kritisch gewürdigt werden soll. Daraus ergab sich ggf. dringender Handlungsbedarf – siehe unseren PNHR-Rechtstipp Nr. 223 aus der Juni-Ausgabe.
Betroffen von der Reform sind in erster Linie die grunderwerbsteuerlichen Ersatztatbestände für gesellschaftsrechtliche Transaktionen mit (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaften. Der Grunderwerbsteuer unterliegen zwar dem Grunde nach primär Vorgänge, die einen Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück zur Folge haben. Indessen führen auch zahlreiche gesellschaftsrechtliche Transaktionen zur Auslösung von Grunderwerbsteuer, wenn zwar nicht das inländische Grundstück selbst, sondern lediglich Anteile an einer (unmittelbar oder mittelbar) Grundbesitz haltenden Gesellschaft auf einen (neuen) Erwerber übertragen werden; insoweit spricht man gemeinhin von sog. „share deals“. Speziell diese hat die aktuelle Reform im Auge.
II. Bestandsaufnahme der erfassten gesellschaftsrechtlichen Transaktionen nach altem und neuem Recht
Das Grunderwerbsteuergesetz a.F. kennt bisher drei „Ersatzerwerbstatbestände“ für gesellschaftsrechtliche Transaktionen, die bei (unmittelbar oder mittelbar) Immobilien haltenden Gesellschaften ggf. Grunderwerbsteuer auslösen können:
- § 1 Abs. 2a GrEStG a.F.: Die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter.
- § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (egal ob Personen- oder Kapitalgesellschaft) in der Hand eines Gesellschafters (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG a.F.), oder unmittelbare oder mittelbare Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft an einen (bisherigen oder neuen) Gesellschafter (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG a.F.).
- § 1 Abs. 3a GrEStG a.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Erlangung einer wirtschaftlich 95 % oder mehr betragenden Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wobei die Beteiligungsquoten durch Multiplikation durchgerechnet werden.
Betrachtet man die Neuregelungen des GrEStG durch das jüngste Reformgesetz unter Einbeziehung der komplexen Übergangsregelungen (§ 23 Abs. 18 bis Abs. 24 GrEStG n.F.), so wird es ab dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.07.2021 sage und schreibe sieben „Ersatzerwerbstatbestände“ für gesellschaftsrechtliche Transaktionen geben, die bei (unmittelbar oder mittelbar) Immobilien haltenden Gesellschaften ggf. Grunderwerbsteuer auslösen können.
Dieser Befund folgt daraus, dass die vorstehend genannten alten Fassungen der Erwerbstatbestände von § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG a.F. unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts am 01.07.2021 weitergelten (vgl. im Einzelnen § 23 Abs. 20 bis 22 GrEStG n.F.), ein gänzlich neuer Erwerbstatbestand, nämlich § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. für den Anteilseignerwechsel bei Kapitalgesellschaften hinzugekommen ist und die geänderten Erwerbstatbestände von § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG n.F. als eigenständige zu betrachten sind.
Ab dem 01.07.2021 gelten für § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG n.F. die folgenden Eckwerte:
- § 1 Abs. 2a GrEStG n.F.: Die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter.
- § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a GrEStG n.F.): Unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (egal ob Personen- oder Kapitalgesellschaft) in der Hand eines Gesellschafters (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG n.F.), oder unmittelbare oder mittelbare Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft an einen (bisherigen oder neuen) Gesellschafter (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG n.F.).
- § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. (subsidiär gegenüber § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG a.F.): Unmittelbare oder mittelbare Erlangung einer wirtschaftlich 95 % oder mehr betragenden Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wobei die Beteiligungsquoten durch Multiplikation durchgerechnet werden.
Die Prüfung, ob eine gesellschaftsrechtliche Transaktion mit grundbesitzenden Gesellschaften womöglich Grunderwerbsteuer auslöst, wird also in der Zukunft ganz erheblich aufwändiger und schwieriger werden als bisher. Nicht nur, dass eine Subsidiaritäts-Hierarchie zwischen den Tatbeständen besteht, es ist stets auch zu prüfen, ob die alte oder die neue Fassung der jeweiligen Vorschrift zur Anwendung gelangt:
Primär sind stets die Tatbestände von § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG n.F. zu prüfen (Anteilseignerwechsel auf neue Gesellschafter im Umfang von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren), die untereinander ohnehin nur alternativ zur Anwendung gelangen können, je nachdem ob es sich um eine Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) oder eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 2b GrEStG) handelt. Die Tatbestände von § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. und § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. kommen nur zur Anwendung, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG nicht in Betracht kommt; der Tatbestand von § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. kommt nur zur Anwendung, wenn eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, 2b und 3 GrEStG n.F. nicht in Betracht kommt.
Zusätzlich ist jeweils anhand der Übergangsvorschriften von § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG n.F. zu prüfen, ob ggf. die bisherige, bis zum 30. Juni 2021 geltende Fassung der jeweiligen Vorschrift zur Anwendung gelangt. Hierbei ist für § 1 Abs. 2a GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 20 GrEStG n.F. maßgeblich, für § 1 Abs. 3 GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 21 GrEStG n.F. und für § 1 Abs. 3a GrEStG die Bestimmung von § 23 Abs. 22 GrEStG n.F. In allen drei vorgenannten Abs. 20 bis 22 von § 23 GrEStG n.F. findet sich jeweils die Anordnung, dass die Übergangsregelung und damit die alte Fassung des jeweiligen Ersatzerwerbstatbestands nur dann gilt, wenn der betreffende Rechtsvorgang nicht nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG n.F. steuerbar ist. Auf die Einzelheiten der Übergangsbestimmungen einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen, zumal diese z.T. sehr kompliziert formuliert sind und zahlreiche Rück- und Querverweise enthalten.
Wesentliche Verschärfungen stellen die Senkung der maßgeblichen Anteilsquoten von 95 % auf 90 % dar sowie die Verlängerung der Beobachtungszeiträume von 5 auf 10 Jahre. Zur Veranschaulichung der Komplexität der neuen Bestimmungen mag der folgende Beispielsfall nach neuem (und altem) Recht zu einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz dienen:
III. Beispielsfall
Der Kommanditist K war bis zum Verkauf eines Anteils von 94,9 % an den Erwerber E alleiniger Kommanditist der K-GmbH & Co. KG (grundbesitzend) und alleiniger Gesellschafter deren Komplementär-GmbH, die jedoch am Vermögen der GmbH & Co. KG nicht beteiligt war. Die Veräußerung des 94,9 % Anteils an der KG und des 100 % Anteils an der Komplementär-GmbH sei
a) am 30.04.2016
oder
b) am 30.04.2017
erfolgt. E plant den restlichen 5,1 % Kommanditanteil des K an der K-GmbH & Co. KG nach Ablauf von fünf Jahren zu übernehmen und verfügt zur Absicherung dieses Anteilserwerbs über eine Call-Option auf den Anteil, die im Fall a) erstmals am 01.07.2021 und im Fall b) erstmals am 01.07.2022 ausübbar ist. Erwirbt E (etwa durch Ausübung der Option) nach dem 01.07.2021 (Inkrafttreten des neuen Rechts), z.B. in Fall a) am 15.07.2021 bzw. in Fall b) am 15.07.2022, den verbliebenen Anteil des K und erlangt er so 100 % der Kommanditanteile an der K GmbH & Co. KG, so ist dieser Vorgang grunderwerbsteuerlich wie folgt zu würdigen:
1. Fall a)
Der Erwerb der 5,1 % durch E könnte zur Auslösung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. führen, da E innerhalb des nunmehr relevanten Zeitraums von zehn Jahren (rückblickende Betrachtung) unter Einbezug des Erwerbs vom 30.04.2016 insgesamt 100 % der Anteile an der K GmbH & Co. KG erworben hat. Das neue Recht ist nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 18 GrEStG n.F. Es stellt sich also die Frage, ob der Erwerb des E vom 30.04.2016 in die Betrachtung zu § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. einzubeziehen ist. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. erfüllt und der Vorgang löst GrESt aus.
Ob der Erwerb vom 30.04.2016 mit in die Betrachtung einzubeziehen ist, ergibt sich aus § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG. Dort heißt es, dass bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Übergänge von Anteilen am Gesellschaftsvermögen auf Gesellschafter unberücksichtigt bleiben, die mit Ablauf des 30. Juni 2021 keine neuen Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. mehr sind. M.a.W.: Da E mit Ablauf des 30.04.2021 seit mehr als fünf Jahren Gesellschafter der K-GmbH & Co. KG war, ist er im Sinne der genannten Vorschrift kein neuer Gesellschafter mehr, sondern Altgesellschafter.
Der Erwerbsvorgang vom 30.04.2016 bleibt also bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. außer Betracht und wird nicht mehr als Zählerwerb berücksichtigt. E ist mithin auch im Hinblick auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Altgesellschafter anzusehen und die Transaktion vom 30.04.2016 bleibt für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. außer Betracht, so dass aufgrund dieser Bestimmung keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird.
Obwohl die Bestimmung von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. gemäß § 23 Abs. 20 GrEStG n.F. noch bis zum 30.06.2026 weitergilt, führt der Erwerb des E am 15.07.2021 (z.B. durch Ausübung der Call-Option) dennoch nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen von § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., da er außerhalb des – nach altem Recht fünf Jahre betragenden – Beobachtungszeitraums stattfindet.
Der Erwerb des E am 15.07.2021 führt allerdings zu einem neuen Zählerwerb i.H.v. 5,1 %, der für einen (neuen) Beobachtungszeitraum von 10 Jahren künftig berücksichtigt wird, obwohl E eigentlich schon als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. qualifiziert war. Dieser nicht unumstrittene Ansatz ergibt sich aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG, der gerade nicht die Qualität als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. ins neue Recht perpetuiert, sondern lediglich anordnet, dass der am 30.06.2021 schon länger als fünf Jahre zurückliegende Erwerb von Anteilen nicht als Zählerwerb für die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. heranzuziehen ist. Nach dem 30.06.2021 erfolgende Anteilserwerbe sind daher wie dargelegt als Erwerbe innerhalb eines neuen Beobachtungszeitraums gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. (zehn Jahre) zu berücksichtigen.
Damit ist der Fall a) aber grunderwerbsteuerlich noch nicht zu Ende, denn der Erwerb der restlichen 5,1 % der Anteile an der K GmbH & Co. KG durch E könnte, nachdem die vorrangige Bestimmung von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. nicht erfüllt ist und damit im Rechtsinne „nicht in Betracht kommt“, zu einer Anteilsvereinigung von 100 % der Anteile an der K-GmbH & Co. KG in seiner Hand gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG n.F. führen (da E auch 100 % der Anteile an der Komplementär-GmbH hält insoweit unstreitig).
Mit dem Erwerb der weiteren 5,1 % am 15.07.2021 sind erstmals die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. erfüllt, was bis dahin noch nicht der Fall war, da bis zum 30.06.2021 bekanntlich noch die Grenze von 95 % gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. galt, die erst jetzt durch den Erwerb aufgrund der Optionsausübung gerissen würde. Die Anteilsvereinigung in der Hand des E führt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 13 Nr. 7 GrEStG zum (fiktiven) Erwerb des Grundstücks der K-GmbH & Co. KG durch den E. Fraglich ist jedoch, ob dieser fiktive Erwerb in voller Höhe zur Auslösung von GrESt führt oder ggf. nur quotal in Höhe des zuletzt von E erworbenen Anteils zu besteuern ist.
Es könnte ein Fall von § 6 Abs. 2 GrEStG gegeben sein (Erwerb eines Grundstücks von einer Gesamthand durch einen Gesamthänder), so dass nur in Höhe des nunmehr erworbenen Anteils GrESt ausgelöst wird. Auch die Bestimmung von § 6 GrEStG wurde allerdings durch das Reformgesetz geändert und die in § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG n.F. (Anwendungsvoraussetzung für § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG) vorgesehene Vorbehaltensfrist von bisher 5 auf nunmehr 10 Jahre verlängert. In den Fällen von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 und § 1 Abs. 3a GrEStG n.F. wurde die Vorbehaltensfrist sogar auf 15 Jahre[!] neu festgeschrieben.
Diese Vorbehaltensfrist sie ist rückblickend vom Zeitpunkt des letzten Erwerbs anzuwenden wäre in der Person des E vorliegend erkennbar nicht erfüllt, da er seine 94,9 % Beteiligung erst am 30.04.2016 erworben hatte. Die nach neuem Rechte vorausgesetzte Vorbehaltensfrist von 15 Jahren wäre also gerissen und § 6 Abs. 2 GrEStG damit nicht anwendbar. Allerdings helfen auch an dieser Stelle die Übergangsbestimmungen. § 23 Abs. 24 GrEStG n.F. ordnet insoweit ausdrücklich an:
„§ 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 und § 7 Absatz 3 GrEStG n.F. sind nicht anzuwenden, wenn die in § 5 Absatz 3, § 6 Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 oder § 7 Absatz 3 GrEStG a.F. geregelte Frist (fünf Jahre, Ergänzung des Verfassers) vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen war.“
Dies bedeutet, dass E, der seine Beteiligung von 94,9 % bereits am 30.04.2016 erworben hatte, diese am 1. Juli 2021 schon seit mehr als fünf Jahren hielt, so dass die bisherige Vorbehaltensfrist von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG a.F. bereits abgelaufen war und E in den Genuss der Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 24 GrEStG n.F. kommt. Die Anteilsvereinigung durch den weiteren Erwerb am 15.07.2021 ist also nur zu 5,1 % des Grundstückswerts grunderwerbsteuerpflichtig – ein Ergebnis mit dem E auch nach altem Recht hätte rechnen müssen.
2. Fall b)
Gemäß der Übergangsregelung von § 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG n.F. qualifiziert sich der E durch den erstmaligen Erwerb der 94,9% Beteiligung am 30.04.2017 bei erstmaliger Anwendung des neuen Rechts im Jahre 2021 nicht als Altgesellschafter i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F., da die Fünfjahresfrist des § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. zum 30. Juni 2021 noch nicht abgelaufen ist. Damit ist die 94,9%ige Anteilsübertragung bei Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. als Zählerwerb zu berücksichtigen. Das neue Recht ist jedoch nur auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht wurden, § 23 Abs. 18 GrEStG n.F., so dass ohne eine weitere Transaktion nach dem 01.07.2021 zunächst keine Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, da eine solche Gesetzesanwendung (Grunderwerbsteuerauslösung allein aufgrund der Erwerbstransaktion vom 30.04.2017) als echte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht haltbar wäre.
Durch den Erwerb der weiteren 5,1 % Anteile an der K-GmbH & Co. KG (etwa durch Ausübung der eingeräumten Option) am 15.07.2022 ist jedoch die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. eröffnet, wobei hier – anders als in Fall a) – der Vorerwerb der 94,9 % am 30.04.2017 als Zählerwerb mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.
Als Folge wird in Fall b) bereits gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. Grunderwerbsteuer ausgelöst durch den Erwerb am 15.07.2022. Ohne das Reformgesetz käme es im Fall b) zum selben Ergebnis wie in Fall a), nämlich einer Besteuerung lediglich in Höhe der Quote des zuletzt erworbenen Anteils von 5,1 %. Da das Reformgesetz aber am 01.07.2021 in Kraft getreten ist, führt der Erwerb (z.B. durch Ausübung der Call-Option durch E) am 15.07.2022 gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG n.F. zum fiktiven Erwerb des Grundstücks der K-GmbH & Co. KG durch eine „neue Personengesellschaft“, die auch Schuldner der solchermaßen ausgelösten Grunderwerbsteuer ist (§ 13 Nr. 6 GrEStG).
Zwar findet auch in Fall b) durch den weiteren Erwerb des E am 15.07.2022 eine Anteilsvereinigung in der Hand des E statt, indessen ist die Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG n.F. gegenüber der Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG subsidiär, so dass kein zweites Mal eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG n.F. in Frage kommt. Dieses Ergebnis kann allerdings in Frage gestellt werden, wendet man konsequent die (Übergangs-)Bestimmungen des Reformgesetzes an:
Der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ist unzweifelhaft in der Person des E ausgelöst. Da E am 30. Juni 2021 unmittelbar zu weniger als 95 % und zu mehr als 90 % an der K-GmbH & Co. KG beteiligt war, findet die Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 21 GrEStG n.F. Anwendung, wonach in einem solchen Fall grundsätzlich die Bestimmung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. weiter anzuwenden ist.
Eine (anteilige) Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil die nun einschlägige 15-jährige Vorbehaltensfrist nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 GrEStG n.F. nicht erfüllt ist – E kommt in Fall b) gerade nicht in den Genuss der Übergangsbestimmung von § 23 Abs. 24 GrEStG. Im Ergebnis würde also Grunderwerbsteuer auf den vollen Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG) wegen Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. erhoben.
Fraglich ist allerdings, ob die Übergangsregelung von § 23 Abs. 21 Satz 3 GrEStG n.F. diesem Befund entgegensteht, da es dort heißt, § 23 Abs. 21 Sätze 1 und 2 GrEStG n.F. gelten nicht, wenn der Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1, 2, 2a, 2b, 3 oder Abs. 3a GrEStG n.F. steuerbar ist. Diese Bestimmung würde vorliegend also zur Subsidiarität von § 23 Abs. 21 Satz 1 GrEStG und damit zur Unanwendbarkeit von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. führen, so dass, entgegen einer insbesondere von der Finanzverwaltung vertretenen Gegenansicht, doch keine (doppelte) GrESt für diesen Vorgang ausgelöst würde. Von einer Rechtssicherheit kann demzufolge keine Rede sein.
3. Fazit zum Beispielsfall
Das Fallbeispiel zeigt deutlich, dass die Prüfung einer vergleichsweise einfachen Transaktion über Personengesellschaftsanteile künftig außerordentlich aufwändig werden wird und an Kompliziertheit kaum zu übertreffen ist.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in Fällen, in denen die bisher geltenden Fünfjahresfristen (bei § 1 Abs. 2a sowie §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 sowie § 7 Abs. 3 GrEStG a.F.) bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung bereits abgelaufen sind, das Reformgesetz in den Übergangsregelungen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen gewährt. Dies gilt sowohl für die Eigenschaft als Altgesellschafter im Sinne von § 1 Abs. 2a GrEStG als auch für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen nach §§ 5 ff. GrEStG.
Ist die Fünfjahresfrist dagegen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch nicht abgelaufen, ist eine anteilige Nichterhebung aufgrund der Steuerbegünstigungen der §§ 5 ff. GrEStG n.F. nur noch unter Einhaltung der neuen Fristen (10 Jahre bzw. 15 Jahre) möglich. Aus Sicht der Beratungspraxis empfiehlt es sich, etwa bestehende Optionsvereinbarungen zu überprüfen und ggf. hinsichtlich der Ausübbarkeit in zeitlicher Hinsicht an die neue Gesetzeslage anzupassen, um nicht ungewollt Grunderwerbsteuer auszulösen bzw. nicht in eine (teure) Steuerfalle zu tappen.
IV. Der neue Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. – Anteilseignerwechsel bei Kapitalgesellschaften
Vollkommen neu ins GrEStG eingefügt wurde – ganz nach dem Vorbild des Ersatzerwerbstatbestandes für Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG – der neue Erwerbstatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. für Kapitalgesellschaftsanteile: Ein Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften im Umfang von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren führt nach dem neuen § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. nach dem Vorbild der altbekannten Regelung für Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG künftig zur Auslösung von Grunderwerbsteuer, wobei ausschließlich Anteilsübergänge ab dem 01.07.2021 berücksichtigt werden.
Da es sich um einen vollkommen neuen Erwerbstatbestand handelt, bedurfte es für diesen auch keiner Übergangsregelung wie bei den bisherigen gesellschaftsrechtlichen Ersatzerwerbtatbeständen. Es findet sich lediglich eine Bestimmung zur generellen Anwendung der neuen Regelung in § 23 Abs. 23 GrEStG n.F., wo es heißt: „Bei der Anwendung des § 1 Absatz 2b bleiben Übergänge von Anteilen der Gesellschaft, die vor dem 1. Juli 2021 erfolgen, unberücksichtigt“.
Sah § 23 Abs. 23 GrEStG-E i.d.F des Regierungsentwurfs von 2019 für den neuen Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG noch eine ausführliche Vertrauensschutzreglung für Verpflichtungsgeschäfte vor, die ein Jahr vor Inkrafttreten der Reform (01.07.2021) abgeschlossen wurden und erst nach Inkrafttreten der Reform vollzogen werden, ordnet der nunmehr beschlossene § 23 Abs. 23 GrEStG n.F. schlicht an, dass nur Übergänge ab dem 1. Juli 2021 berücksichtigt werden, egal ob das dafür geschlossene Verpflichtungsgeschäft, also etwa der notarielle GmbH-Anteilskaufvertrag, bereits vor dem 01.07.2021 geschlossen worden ist. Ein Vertrauensschutz wird – nach Aussage des Gesetzgebers ganz bewusst nach dem Motto: Die Praxis wusste ja seit 2019 das die Neuregelung kommt – nicht gewährt.
Nach der Übergangsregelung von § 23 Abs. 23 GrEStG n.F. werden also bereits vor dem 01.07.2021 erfolgte unmittelbare wie mittelbare Anteilsübertragungen an Kapitalgesellschaften für § 1 Abs. 2b GrEStG nicht mitgerechnet; die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen oder Aktien einer grundbesitzenden Gesellschaft vor dem 1. Juli 2021 spielen für die Frage der Überschreitung der 90-%-Schwelle des § 1 Abs. 2b GrEStG also keine Rolle.
Eine auf einen bestimmten Beobachtungszeitraum abzielende Regelung für grundbesitzende Kapitalgesellschaften sah das bisherige GrEStG nicht vor, weshalb bei diesen nach bisheriger Rechtslage nur die Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in einer Hand (künftig reichen schon 90 %) oder die Übertragung von mindestens 95 % (künftig ebenfalls 90 %) auf einen bisherigen oder neuen Gesellschafter Grunderwerbsteuer ausgelöst haben. Wurden 95 % oder mehr Anteile auf zwei oder mehr Erwerber übertragen, ohne dass einer von ihnen auf 95 % oder mehr der Anteile der Kapitalgesellschaft kam, löste dies keine Grunderwerbsteuer aus, soweit keine gegenseitige Zurechnung der Beteiligungen etwa aufgrund eines Konzerntatbestandes o.ä. in Betracht kam.
Betrifft eine Transaktion, bei der es vor dem Tag des Inkrafttretens des Reformgesetzes (also in der Zeit bis zum 30.06.2021), zum schuldrechtlichen Vertragsschluss („Signing“) gekommen ist, unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und erfolgt der dingliche Vollzug der Transaktion („Closing“) erst am 01.07.2021 oder später, so löst dies Grunderwerbsteuer auf die Immobilien im Vermögen der Gesellschaft aus. Ein Vertrauensschutz bezogen auf das alte Recht wird (bewusst) nicht gewährt.
Der neue Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. wird auch deshalb von gravierender Tragweite sein, weil anders als bei § 1 Abs. 2a GrEStG die Begünstigungsbestimmungen von §§ 5 und 6 GrEStG nicht weiterhelfen, weil sie nur auf Personengesellschaften anwendbar sind, nicht aber auf Kapitalgesellschaften und damit auf den Fall von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. Die Begünstigungsbestimmungen von §§ 5 und 6 GrEStG schließen – vereinfacht umschrieben – eine Besteuerung in dem Umfang aus, wie ein Gesellschafter bei transparenter Betrachtung der (Personen-)Gesellschaft vor und nach der Transaktion an der betroffenen Gesellschaft beteiligt ist. Diese transparente Betrachtungsweise findet indessen bei Kapitalgesellschaften keine Anwendung, so dass es auf die Beteiligungsverhältnisse nur insoweit ankommt, als es sich bei dem/den Erwerber(n) um neue Gesellschafter handeln muss.
Ebenso wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG wird in den Fällen von § 1 Abs. 2b GrEStG n.F., ist der Tatbestand tatsächlich ausgelöst, fingiert, dass das von der Kapitalgesellschaft gehaltene Grundstück von der „alten“ Kapitalgesellschaft (mit den bisherigen Gesellschaftern) auf die „neue“ Kapitalgesellschaft (mit den mindestens 90 % neuen Gesellschaftern) übertragen wurde. Bei einer Personengesellschaft kann es insoweit (in den Fällen von § 1 Abs. 2a GrEStG) zur Anwendung von § 5 oder § 6 GrEStG kommen und den Vorgang erheblich entschärfen; dies ist bei einer Kapitalgesellschaft als (fiktiver) Erwerberin hingegen nicht denkbar.
V. Die neue Börsenklausel (§
1 Abs. 2c GrEStG n.F.)
Neu ist auch die Rückausnahme zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG n.F. für börsennotierte Kapitalgesellschaften gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. (sog. Börsenklausel). Danach werden Anteilsübergänge i.S.v. § 1 Abs. 2a Satz 1 und Abs. 2b Satz 1 GrEStG n.F. für die Erreichung der 90 %-Schwelle nicht berücksichtigt, wenn
- die Anteile der Gesellschaft an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG zum Handel im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenen organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem Drittlandhandelsplatz, der gemäß Artikel 25 Abs. 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt wurde, zugelassen sind, und
- soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erfolgt.
Die Regelung erfasst, obgleich sie nur den jeweiligen Satz 1 von § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. in Bezug nimmt, auch mittelbare Anteilsübergänge, da diese im jeweiligen Satz 1 ausdrücklich genannt sind. Die Anwendung auf Fälle von § 1 Abs. 2a GrEStG hätte ohne die Miterfassung von mittelbaren Anteilsübergängen schlechterdings keinen Anwendungsbereich und bzgl. § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. griffe die Regelung bei weitem zu kurz, was der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nicht beabsichtigt hat.
Nicht erfasst von der Rückausnahme der Börsenklausel werden allerdings außerbörsliche Geschäfte über börsennotierte Anteile entsprechender Gesellschaften sowie Geschäfte an nicht von der Regelung erfassten Börsen; dies betrifft etwa Aktiengeschäfte an der Londoner oder der Züricher Börse, die beide von der vorgenannten Bestimmung nicht erfasst werden. Als von der EU-Kommission für gleichwertig erklärte Dritthandelsplätze i.S.v. § 1 Abs. 2c GrEStG kommen derzeit lediglich die USA, Hong Kong und Australien in Betracht.
Als Rechtfertigung für die Börsenklausel gemäß § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. wird die Unmöglichkeit der zuverlässigen Erfassung von Anteilsübertragungen über die Börse ins Feld geführt – es soll von vornherein ein sog. strukturelles Erfassungsdefizit vermieden werden, um das Gesetz nicht von Beginn an in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise auszugestalten. Eine andere Rechtfertigung als die nicht mögliche, zuverlässige Erfassung von Börsengeschäften im Hinblick auf § 1 Abs. 2b GrEStG n.F. ist nicht ersichtlich. Dies wird auch durch die ausdrückliche Ausklammerung von außerbörslichen Geschäften im Gesetzestext von § 1 Abs. 2c letzter Halbsatz GrEStG n.F. bestätigt, da außerbörsliche Geschäfte natürlich sehr wohl belastbar erfassbar sind. Konsequent ordnet das Reformgesetz auch eine entsprechende Anzeigepflicht für den Vorstand betroffener Aktiengesellschaften nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG n.F. an, jedenfalls bei Überschreiten der 90-%-Grenze innerhalb von 10 Jahren. Die Anzeigepflicht besteht auch dann, wenn etwa bei notariellen GmbH-Anteilsübertragungen bereits der beurkundende Notar entsprechende Anzeigen nach § 18 GrEStG vorzunehmen oder vorgenommen hat, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG.
Ob die Rückausnahme von § 1 Abs. 2c GrEStG n.F. sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz alleine mit der Rechtfertigung der nicht möglichen Erfassbarkeit börslicher Transaktionen wird halten lassen, wird dereinst gewiss vom BVerfG zu beurteilen sein – man darf gespannt sein, wie die Richter in Karlsruhe dazu stehen.
Die Praxis in Gestalt der Geschäftsführer und Vorstände grundbesitzender Kapitalgesellschaften, ist durch die Neuregelung vor eine große Herausforderung gestellt: Sollen die Anzeigepflichten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GrEStG insbesondere in Konzernen mit ggf. zahlreichen grundbesitzhaltenden Tochter-, Enkel- oder Urenkelgesellschaften künftig gewahrt und Ordnungswidrigkeiten- oder gar Steuerstrafverfahren vermieden werden, so gewinnen die zu installierenden Risikofrüherkennungs- und Tax-Compliance-Systeme ganz massiv an Bedeutung. Ob die Anzeigepflichten insoweit – wohlgemerkt, die Anzeige hat binnen 14 Tagen nach Kenntniserlangung von dem anzeigepflichtigen Vorgang zu erfolgen, § 19 Abs. 3 Satz 1 GrEStG – überhaupt zuverlässig zu erfüllen sein werden, wird die Praxis zeigen. Kenntnis vom anzeigepflichtigen Vorgang ist nämlich schon gegeben, wenn das betreffende Organ um die Anteilsübertragung grundsätzlich weiß – ob es die richtigen Schlüsse i.S.v. § 19 Abs. 1 GrEStG aus dieser Kenntnis zieht, ist nicht von entscheidender Bedeutung.
VI. Fazit
Die Grunderwerbsteuerreform zur Verschärfung der Besteuerung bei share deals ist am 01.07.2021 in Kraft getreten und führt zu massiven Eingriffen in das bisherige Regelungsgefüge des GrEStG bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen mit grundbesitzhaltenden Gesellschaften. Wie vom Gesetzgeber ausdrücklich angestrebt wird es in der Zukunft ganz erheblich schwieriger und vor allem langwieriger, um einen Gestaltungsweg zu finden, bei dem die Entstehung von Grunderwerbsteuer vermieden werden kann.
Besonders gravierend sind die Verschärfungen bei Kapitalgesellschaften, bei denen es erstmals einen zeitraumbezogenen Ersatzerwerbstatbestand gibt (§ 1 Abs. 2b GrEStG n.F.), aufgrund dessen die Übertragung von mindestens 90 % der Anteile einer GmbH oder AG auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren künftig Grunderwerbsteuer auf die im Vermögen der Kapitalgesellschaft befindlichen Immobilien auslöst. Die Vorschrift fingiert einen Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch eine „neue Kapitalgesellschaft“ aufgrund des entsprechend umfänglichen Anteilseignerwechsels, weshalb es nicht zur Anwendung der Erleichterungen von §§ 5 und 6 GrEStG kommen kann.
Da die Reform dazu führt, dass es – zumindest bis zum 30.06.2026 – bis zu sieben unterschiedliche Erwerbstatbestände bei gesellschaftsrechtlichen Transaktionen mit grundbesitzhaltenden Gesellschaften gibt, ist die Prüfung der Frage, ob eine Transaktion nach neuem oder altem Recht tatsächlich Grunderwerbsteuer auslöst, künftig ungemein schwieriger und aufwändiger.
So manche Transaktion wird in den nächsten Jahren im Nachhinein für böse Überraschungen sorgen, weil man bei der Gestaltung und Festlegung der Transaktionsstruktur die neuen, z.T. sehr komplexen Regelungen, insbesondere die Übergangsregelungen von § 23 Abs. 18 bis 24 GrEStG n.F., nicht hinlänglich geprüft oder/und beachtet hat.