Die Geschäftsführung einer GmbH haftet bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen auch für nicht abgeführte Lohnsteuer. Mit Urteil vom 08.03.2022 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) darüber, ob auch Aufwendungen des Geschäftsführers zur Tilgung seiner durch die Nichtabführung entstandenen Haftungsschulden als Werbungskosten im Rahmen der persönlichen Veranlagung in Ansatz gebracht werden können.
I. Hintergrund: Besteuerung, Haftung und Werbungskosten
1. Besteuerung eines Geschäftsführers
Die Besteuerung des Geschäftsführers richtet sich in erster Linie nach der Gesellschaftsform. Die Geschäftsführung einer Personengesellschaft rekrutiert sich grundsätzlich aus dem Kreis der Gesellschafter. Diese haben zwar typischerweise einen Arbeitsvertrag mit der Personengesellschaft geschlossen, ihr Gehalt wird aber steuerrechtlich als Gewinnanteil an der Gesellschaft behandelt und gilt als Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG. Anders verhält es sich bei der Besteuerung des Geschäftsführers einer GmbH. Der angestellte Geschäftsführer, egal ob Gesellschafter oder „Fremd-Geschäftsführer“, gilt hier auch steuerrechtlich als Arbeitnehmer, seine Einkünfte sind dementsprechend als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG zu versteuern, auf sie werden Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer erhoben.
2. Haftung des Geschäftsführers
Nach § 41a Abs. 1 EStG trifft den Arbeitgeber die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen. Die Geschäftsführung hat gemäß § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen, was insbesondere die Verpflichtung umfasst, dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwaltet. Nach § 69 AO haftet der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, also die Geschäftsführung einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Verletzt die GmbH daher ihre Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer für die Belegschaft, etwa indem Löhne ausbezahlt werden, für die kein (vollständiger) Steuereinbehalt erfolgt, so kann die Haftung für die ausstehenden Beträge auf die Geschäftsführung übergehen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung stellt die Nichtabführung der Lohnsteuer regelmäßig zumindest eine grob fahrlässige Pflichtverletzung der Geschäftsführung dar, weil hierdurch die nach den persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt wird.
3. Werbungskosten eines Geschäftsführers
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie liegen vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen.
Bezogen auf den Geschäftsführer einer GmbH können als Werbungskosten unter anderem Aufwendungen für Wege zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte, Kosten für einen beruflich veranlassten Wohnungswechsel oder die Beiträge für gesetzliche oder freiwillig eingegangene Berufsversicherungen berücksichtigt werden.
II. BFH zu Aufwendungen zur Tilgung von Haftungsschulden des Geschäftsführers als Werbungskosten
1. Sachverhalt
Die Klägerin des Streitfalls war Gesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin einer GmbH. Im Jahr 2014 wurde über das Vermögen dieser GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Haftungsbescheiden nahm das zuständige Finanzamt die Geschäftsführerin für nicht von der GmbH einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer in Anspruch. Ein Teil der Haftungsschulden entfiel dabei auf die Lohnsteuer der Geschäftsführerin selbst. Die Geschäftsführerin machte ihre Aufwendungen zur Tilgung der Haftungsschulden als Werbungskosten im Zusammenhang mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt lehnte den Werbungskostenabzug ab. Die Geschäftsführerin wehrte sich gegen die Nichtberücksichtigung und klagte vor dem Finanzgericht. Dieses gab der Klage statt. Die Sache wurde anschließend auf Veranlassung des beklagten Finanzamts dem BFH zur Revision vorgelegt.
2. Urteil des BFH
Der BFH hielt die Revision für unbegründet und bestätigte damit die Auffassung der Vorinstanz. Er entschied, dass es sich bei den Aufwendungen der Geschäftsführerin zur Tilgung ihrer Haftungsschulden um Werbungskosten handelt.
a) Wirtschaftlicher Zusammenhang besteht
Der BFH gelangte zu dem Ergebnis, dass zwischen den Aufwendungen zur Tilgung der Haftungsschulden und der nichtselbständigen Tätigkeit der Geschäftsführerin ein wirtschaftlicher Zusammenhang in Form eines Veranlassungszusammenhangs besteht. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Haftung dadurch begründet werde, dass die Geschäftsführerin Verpflichtungen verletzt habe, die ihr aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH oblagen. Als Geschäftsführerin der GmbH hatte sie dafür Sorge zu tragen, dass die GmbH ihre steuerlichen Pflichten erfüllte und insbesondere die einbehaltenen Lohnsteuern an das Betriebsstättenfinanzamt abführte. Das „auslösende Moment“ für die von der Geschäftsführerin auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Sie dienten subjektiv ihrer beruflichen Tätigkeit, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angstellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen hatten.
b) Kein Ausschluss durch Gesellschafterstellung oder private Umstände
Dass die Geschäftsführerin zugleich auch Gesellschafterin der GmbH war, steht der beruflichen Veranlassung der Aufwendungen nicht entgegen. Eine Durchbrechung des Veranlassungszusammenhangs sei nur anzunehmen, wenn die Aufwendungen durch die Gesellschafterstellung zumindest mitveranlasst waren. Die Veranlassung durch die Gesellschafterstellung trete jedoch in solchen Fällen zurück, in denen die Aufwendungen ausschließlich nach §§ 69, 34 AO zu beurteilen seien, da die Aufwendungen dann vollkommrn unabhängig von der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers und damit ausschließlich auf dessen Tätigkeit als Geschäftsführer zurückzuführen seien.
Ferner könne der erwerbsbezogene Veranlassungszusammenhang ausnahmsweise dann durchbrochen werden, wenn der Arbeitnehmer strafbare Handlungen begehe. Diese dürfen dabei mit seiner Erwerbstätigkeit nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, er seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat. Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Geschäftsführerin bestanden im vorliegenden Fall jedoch nicht.
c) Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG nicht anwendbar
Nach § 12 Nr. 3 EStG dürfen insbesondere die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Diese Einschränkung galt vorliegend nicht, da es weder um den Abzug von (nachgeforderter) Einkommen- oder Lohnsteuer noch um den Abzug darauf entfallender Nebenleistungen, sondern allein um den Abzug von Zahlungen der Geschäftsführerin auf ihre Haftungsschulden ging. Solche Haftungsschulden seien jedoch keine Steuern im Rechtssinn. Der Haftungstatbestand der §§ 69, 34 AO begründe vielmehr die Pflicht des Haftenden, für eine zulasten eines anderen begründete Steuerschuld mit dem eigenen Vermögen unbeschränkt einstehen zu müssen.
d) Entfallen auf eigene Lohnsteuer des Geschäftsführers steht dem nicht entgegen
Dass ein Teil der Haftungsschulden auch auf die Lohnsteuer der Geschäftsführerin selbst entfalle, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn die Geschäftsführerin werde mit der durch den Haftungsbescheid festgesetzten Haftungsschuld für eine andere Abgabe als für ihre eigene Lohnsteuer in Anspruch genommen. Sie habe mit der Haftungsschuld nicht dieselbe Abgabe wie die Lohnsteuer zu entrichten, sondern im Wege der Haftung auf eine fremde Schuld zu zahlen. Die Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer obliege allein dem Arbeitgeber und damit der GmbH. Aus der Sicht der Geschäftsführerin handle es sich damit bei der Entrichtungsschuld der GmbH um eine fremde Steuerschuld, für deren Entrichtung sie zu sorgen hatte. Sie sei mit dem Haftungsbescheid mithin nicht als Steuerschuldnerin für ihre eigene Lohnsteuer herangezogen worden. Der Haftungsbescheid betreffe vielmehr nur ihre Inanspruchnahme als Geschäftsführerin der GmbH gemäß §§ 69, 34 AO. Deshalb habe sie die vorliegend zu beurteilenden Aufwendungen trotz der im Streitfall gegebenen Personenidentität zwischen Steuerschuldnerin und Haftungsschuldnerin nicht auf eigene Lohnsteuerschulden geleistet, sondern auf die davon zu unterscheidenden Haftungsschulden, die ihrerseits auf den Lohnsteuer-Entrichtungsschulden der GmbH beruhten.
III. Fazit
Mit seinem Urteil sorgt der BFH nunmehr für Klarheit über die bisher streitige Frage, ob Aufwendungen des Geschäftsführers nach § 69, 34 AO auch dann als Werbungskosten berücksichtigungsfähig sind, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter derselben GmbH ist und die Haftung auch die „eigene“ Lohnsteuer betrifft. Dies ist jedenfalls zu bejahen, solange der Geschäftsführer sich mit seinem Verhalten außerhalb des strafrechtlich relevanten Bereichs bewegt. Das Urteil betrifft zwar nur den GmbH-Geschäftsführer, das Ergebnis dürfte jedoch entsprechend auf die übrigen Kapitalgesellschaften und deren gesetzliche Vertreter übertragbar sein.