I. Einleitung / Ausgangslage
In Erfüllung der Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht („Digitalisierungsrichtlinie“, Amtsblatt L 186 vom 11.07.2019, S. 80) hat der 19. Deutsche Bundestag am 10.06.2021 das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie („DiRUG“) beschlossen, das am 25.06.2021 vom Bundesrat gebilligt wurde und am 01.08.2022 in Kraft treten wird. Die EU-Digitalisierungsrichtlinie hat u.a. zum Ziel, die Gründung von Gesellschaften und die Errichtung von Zweigniederlassungen europaweit und grenzüberschreitend durch Nutzung digitaler Mittel zu vereinfachen und enthält zu diesem Zweck eine Vielzahl von Regelungen, die u.a. die Umsetzung von Online-Verfahren, eine Neuregelung der Registerpublizität sowie eine europäische Informations-/Registervernetzung zum Gegenstand haben.
Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem DiRUG allerdings in der Umsetzung zumeist auf das vom EU-Richtliniengeber geforderte Minimum beschränkt, weshalb der Schritt zu einer Digitalisierung des Gesellschaftsrechts in Deutschland noch ein relativ kleiner ist. Mit diesem Special möchten wir Ihnen einen ersten Überblick darüber geben, in welchem wesentlichen Umfang das digitale Gesellschafts- und Registerrecht ab dem 01.08.2022 in Deutschland Einzug halten wird.
II. Überblick
1. Strukturelle Änderungen im Registerwesen
Das System der Bekanntmachung von Handelsregistereintragungen wird eine grundlegende Änderung erfahren. Das bisher für die Veröffentlichung und damit Bekanntmachung von Handelsregistereintragungen zuständige Bekanntmachungsportal entfällt künftig; die Bekanntmachung orientiert sich künftig allein an der erstmaligen Abrufbarkeit aus dem gem. § 9 Abs. 1 HGB von den Landesjustizverwaltungen bestimmten Registerportal (www.handelsregister.de). Der Abruf von Handelsregisterauszügen und der weiteren zum Handelsregister eingereichten Dokumente aus dem Registerportal wird künftig kostenlos möglich sein. Gleiches gilt für Abrufe aus dem Partnerschafts-, Vereins- und Genossenschaftsregister. Damit einhergehend wird jedoch eine Erhöhung der Registergebühren um 1/3 der für die jeweilige Eintragung (in die Handelsregister A und B, das Partnerschafts-und das Genossenschaftsregister sowie von Prokuren) oder Entgegennahme (z.B. Liste der Gesellschafter einer GmbH oder Liste der Mitglieder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft) bestimmten Gebühr erfolgen (Nr. 6000 HRegGebV n.F.). Die Kostenlast wird damit vom Register-Abrufenden auf die im Register eingetragene Rechtspersönlichkeit verlagert.
Im Zuge der weiteren unionsrechtlichen Vorgabe eines grenzüberschreitenden Informationsaustausches wird künftig über eine geschaffene zentrale Europäische Plattform die für die Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern bedeutsame Abfrage von Informationen zu einem bestehenden Berufs- oder Gewerbeausübungsverbot in einem anderen EU- oder EWR-Staat möglich sein (künftiges Bestellungshindernis gem. § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG n.F. bzw. § 76 Abs. 3 Satz 3 AktG n.F.). Weiter wird künftig über das Europäische System der Registervernetzung ein Informationsaustausch über ausländische Zweigniederlassungen einer inländischen Kapitalgesellschaft (und umgekehrt) erfolgen. Entsprechend § 13a Abs. 2 und 3 HGB n.F. werden die im Europäischen System der Registervernetzung empfangenen Daten der ausländischen Zweigniederlassung an das für die inländische Kapitalgesellschaft zuständige deutsche Registergericht weitergeleitet, das dann die ausländische Zweigniederlassung mit den in § 13a Abs. 3 HGB n.F. genannten Daten in das Registerblatt der deutschen Kapitalgesellschaft einträgt.
Auch die Praxis zur Offenlegungsverpflichtung von Rechnungslegungsunterlagen einer Kapitalgesellschaft erfährt als Ergebnis der unionsrechtlich geforderten Registerzentralisierung und -vernetzung eine grundlegende Änderung. Die Offenlegung hat für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2021 beginnen, künftig nicht mehr elektronisch über den Betreiber des Bundesanzeigers, sondern unmittelbar elektronisch an die das Unternehmensregister führende Stelle zu erfolgen (§ 325 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. i.V.m. Art. 88 Abs. 2 EGHGB n.F.). Nach der Gesetzesbegründung soll damit die nach bisherigem System bestehende Doppelpublizität vermieden und die Funktion des Unternehmensregisters als „One-Stop-Shop“ für Unternehmensinformationen gestärkt werden.
2. Notarielle Online-Verfahren
Die EU-Kommission verfolgt seit einigen Jahren das Ziel einer Erleichterung des Einsatzes digitaler Technologien im gesamten Lebenszyklus einer Gesellschaft. Erster Schritt einer Umsetzung ist die in der Einleitung näher bezeichnete EU-Digitalisierungsrichtlinie, die sich im Kernpunkt mit dem Einsatz digitaler Lösungen im Bereich der Gesellschaftsgründung beschäftigt. Im Folgenden soll näher erläutert werden, in welchem wesentlichen Umfang die Richtlinien-Umsetzung in nationales Recht erfolgt ist.
a) Örtlicher und sachlicher Anwendungsbereich
aa) Örtlicher Anwendungsbereich
Bislang war die Notar-Tätigkeit berufsrechtlich lediglich dahingehend beschränkt, dass die Beurkundungstätigkeit innerhalb des jeweiligen notariellen Amtsbereichs (Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich der Amtssitz des Notariats befindet, § 10a Abs. 1, 2 BNotO) bzw. allenfalls Amtsbezirks (Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem sich der Amtssitz befindet, § 11 Abs. 1, 2 BNotO) erfolgen sollte.
Künftig werden diese Einschränkungen ergänzt um entsprechende Regelungen zu Online-Urkundstätigkeiten, die nicht mehr alleine auf den notariellen Amtssitz, sondern auf die örtlichen Verhältnisse der Urkundsbeteiligten abstellen. Online-Beurkundungen und -Beglaubigungen gelten gem. § 10a Abs. 3 BNotO n.F. nur dann als im notariellen Amtsbereich ausgeübt, wenn sich in diesem Amtsbereich einer der folgenden Orte befindet:
- der (Satzungs-)Sitz der betroffenen Gesellschaft, die Hauptniederlassung der betroffenen Gesellschaft oder der Wohnsitz des betroffenen Einzelkaufmanns,
- bei einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland oder einem Einzelkaufmann mit Hauptniederlassung im Ausland der Sitz oder die Geschäftsanschrift der betroffenen Zweigniederlassung oder
- der Wohnsitz oder Sitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft.
Hierdurch soll nach der Gesetzesbegründung eine Gefährdung der flächendeckenden notariellen Versorgung der Bevölkerung durch Konzentration auf einzelne leistungsfähigere Notariate vermieden werden. In der Praxis wird sich zeigen, ob diese örtliche Einschränkung zu einer Steigerung der Attraktivität von Online-Urkundstätigkeiten führen wird oder die Parteien angesichts der nach diesen Vorgaben wohl in den überwiegenden Fällen bestehenden räumlichen Nähe zum Notariat doch an der Präsenz-Beurkundung/-Beglaubigung festhalten werden.
bb) Sachlicher Anwendungsbereich
Während die europarechtlichen Vorgaben aus der EU-Digitalisierungsrichtlinie u.a. die Implementierung von Online-Verfahren zur Gründung sämtlicher deutscher Kapitalgesellschaften vorsehen, hat der deutsche Gesetzgeber von seinem in der Richtlinie den Mitgliedsstaaten eingeräumten Recht der Beschränkung auf die Online-Gründung bestimmter Kapitalgesellschaften (Option in Artikel 13g Abs. 1 Unterabs. 2 EU-Richtlinie 2019/1151) Gebrauch gemacht und lediglich die Online-Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und deren Sonderform einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG (haftungsbeschränkt) − nachfolgend auch nur „UG“ −) gesetzlich geregelt und damit ab dem 01.08.2022 unter den nachfolgend beschriebenen Maßgaben möglich gemacht. Zur Gründung weiterer Kapitalgesellschaften wie der Aktiengesellschaft (AG), der SE, der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder Gesellschaften anderer Rechtsformen bedarf es daher weiterhin einer Vor-Ort-Beurkundung des Gründungsaktes.
Die Online-GmbH-Gründung ist darüber hinaus auf Bargründungen beschränkt (die UG-Gründung ist ohnehin nur im Wege der Bargründung möglich, § 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG). GmbH-Gründungen unter vollständiger oder teilweiser Erbringung von Sacheinlagen können daher weiterhin nicht online erfolgen.
Weiter ist das Online-Beurkundungs-verfahren auf das reine Gründungsverfahren und die damit in engem Zusammenhang stehenden Beschlussfassungen beschränkt, § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung insoweit klargestellt, dass die gegenwärtige Praxis der gemeinsamen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages und von Beschlüssen der Gesellschafter, etwa betreffend die Bestellung von Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführern, die Festlegung von deren Vertretungsbefugnis und eine etwaige Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB in einer notariellen Urkunde auch im Online-Verfahren zulässig ist, ausdrücklich nicht aber im Rahmen der Gründung beschlossene Kapitalmaßnahmen oder Umwandlungsvorgänge (vgl. RegBegr. DiRUG, BT-Drs. 19/28177, S. 161).
Zusätzlich sind − ähnlich wie dies für die Präsenz-Gründung im vereinfachten Verfahren bereits seit Jahren der Fall ist − für die mittels Videokommunikation erfolgende Gründung einer GmbH verwendbare Musterprotokolle eingeführt worden (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1a sowie Anlage 2 zum GmbHG n.F.). Im Unterschied zu den auf Gründungen mit bis zu drei Gesellschaftern und einem Geschäftsführer beschränkten „Präsenz-Musterprotokollen“ können die neu eingeführten Musterprotokolle zur GmbH-Gründung mittels Videokommunikation auch für Mehrpersonengesellschaften mit mehr als drei Gründungsgesellschaftern und unter Bestellung mehrerer Geschäftsführer − unter vorgesehener Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und vorgegebener Vertretungsregelung − genutzt werden. Hieraus folgend ist mit der Nutzung dieser Musterprotokolle im Gegensatz zu den Musterprotokollen für eine Präsenzgründung jedoch keine Kostenprivilegierung/ ermäßigung verbunden. Da diese Musterprotokolle naturgemäß nur Standardfälle abbilden können − was gerade bei Mehrpersonengründungen oftmals problematisch ist − und dem bzw. den Gründer(n) darüber hinaus keinen nennenswerten wirtschaftlichen Nutzen bringen, ist deren Opportunität zumindest zu hinterfragen.
Mit Inkrafttreten des DiRUG wird außerdem die Möglichkeit geschaffen, bestimmte Handelsregisteranmeldungen mittels Beglaubigung im Online-Verfahren durchzuführen. Auch hier ist der deutsche Gesetzgeber hinter den ihm unionsrechtlich gemachten Vorgaben geblieben und hat die Zulässigkeit auf Handelsregisteranmeldungen für bzw. durch die in § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. genannten GmbH, AG, KGaA, SE, Einzelkaufleute sowie Zweigniederlassungen bestimmter in- und ausländischer Kapitalgesellschaften beschränkt. Dies bedeutet am Beispiel der Gründung einer GmbH & Co. KG, dass die (Bar-)Gründung einer Komplementär-GmbH online erfolgen könnte, während die Handelsregisteranmeldung der GmbH & Co. KG weiterhin persönlich im Notariat vollzogen werden muss. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier kurzfristig nachbessert und den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt.
b) Schaffung der digitalen Infrastruktur und Voraussetzungen der Nutzung
Der Bundesnotarkammer ist als weiterer Pflichtaufgabe der Betrieb eines Videokommunikationssystems, das die Vornahme von Urkundstätigkeiten mittels Vi¬deo¬kommunikation ermöglicht, zugewiesen worden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BNotO n.F.). Ausweislich § 78p Abs. 2 BNotO n.F. soll der Betrieb dieses Videokommunikationssystems die vollständige digitale Abbildung eines Beurkundungsvorgangs in Präsenz umfassen, namentlich
- die technische Abwicklung der Videokommunikation zwischen dem Notariat und den Beteiligten,
- die technische Durchführung eines elektronischen Identitätsnachweises,
- das Auslesen eines elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmediums und
- das Erstellen einer qualifizierten elektronischen Signatur sowie das Versehen der elektronischen Urkunde mit dieser.
In §§ 16a und 40 BNotO n.F. ist klargestellt, dass Online-Beurkundungen/ Beglaubigungen nur über das von der Bundesnotarkammer betriebene Videokommunikationssystem zulässig sind, eine Nutzung anderer am Markt befindlicher Videokommunikations-/ Videokonferenzplattformen scheidet mithin aus.
In der Praxis schwieriger gestalten dürfte sich die aus berufs- und geldwäscherechtlichen Gründen (vgl. § 10 BeurkG, § 2 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. §§ 10 ff. GWG) erforderliche Feststellung und Überprüfung der Identität der Urkundsbeteiligten auf elektronischem Wege. Der insoweit neu eingeführte § 16c Abs. 1 BeurkG gibt strenge Vorgaben, welche Mittel zur Beteiligtenfeststellung im Online-Verfahren zulässig sein werden. Hiernach ist zunächst der Abgleich des Erscheinungsbildes der Person des Beteiligten mit einem elektronisch übermittelten Lichtbild erforderlich. Dieses Lichtbild ist aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium eines (deutschen) Personalausweises, Passes oder elektronischen Aufenthaltstitels oder eines amtlichen Ausweises oder Passes eines anderen Staates, mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird, auszulesen. In der Gesetzesbegründung ist insoweit ausdrücklich klargestellt worden, dass das sog. Video-Ident-Verfahren, bei dem ein Ausweispapier nur per Webcam gefilmt wird, zur Identifizierung ausdrücklich nicht in Betracht kommt (BT-Drs. 19/28177, S. 121). Der Lichtbildabgleich durch den Notar oder die Notarin (aber auch nur dieser) kann dann entfallen, wenn der oder die Beurkundungsbeteiligte persönlich bekannt ist.
Zusätzlich zum Lichtbildabgleich bedarf es − auch bei persönlich Bekannten − zwingend der elektronischen Übermittlung/Auslesung eines elektronischen Identifizierungsmittels, das zur Übermittlung der gespeicherten Personenidentifizierungsdaten über das Internet geeignet ist. Die abschließend in § 16c Abs. 1 BeurkG n.F. genannten elektronischen Identifizierungsnachweise und -mittel sind zum einen die in Deutschland ausgegebenen eIDs, das sind der Personalausweis mit eID-Funktion (elektronischer Identitätsnachweis nach § 18 PersauswG), die eID-Karte zum elektronischen Identitätsausweis für EU- und EWR-Staatsangehörige (§ 12 eID-Karte-Gesetz) oder der elektronische Aufenthaltstitel (§ 78 Abs. 5a AufenthG). Der Reisepass ist hiernach ausdrücklich als elektronischer Identifizierungsnachweis nicht geeignet (sondern nur im Rahmen des Lichtbildabgleichs, s.o.).
Für ausländische Beteiligte werden im Onlineverfahren neben dem in Deutschland ausgegebenen elektronischen Aufenthaltstitel nur solche elektronische Identifizierungsmittel zugelassen, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurden, für Zwecke der grenzüberschreitenden Authentifizierung nach Art. 6 eIDAS-VO anerkannt werden und außerdem dem Sicherheitsniveau „hoch“ i.S.d. Art. 8 Abs. 2 c eIDAS-VO entsprechen müssen. Nach derzeitigem Stand haben bei weitem nicht alle EU-Mitgliedsstaaten elektronische Identifizierungsmittel mit dem hiernach erforderlichen Sicherheitsniveau ausgegeben bzw. anerkennen lassen, weshalb in jedem Fall eine vorherige Einzelfallprüfung geboten ist, um den Online-Notarakt nicht bereits an diesen Formalien scheitern zu lassen.
Derzeit ist auch noch nicht abzusehen, welche technischen Voraussetzungen an Soft- und Hardware (Kartenlesegerät, Smartphone-App o.ä.) auf Seiten der Beurkundungsbeteiligten erfüllt sein müssen. Die Gesetzesbegründung spricht recht nebulös davon, dass der Beteiligte „seinen Ausweis auf die technische Auslesevorrichtung legt und das Auslesen startet“. Auch hier bleibt abzuwarten, welche technischen Hürden genommen werden müssen, um Beteiligter einer Online-Beurkundung sein zu können. Eine rechtzeitige und eingehende Beratung durch das Notariat im Vorfeld der geplanten Fernbeurkundung wird daher jedenfalls Not tun.
c) Durchführung des Online-Notaraktes
Entsprechend § 16e BeurkG n.F. sind ab dem 01.08.2022 Beurkundungen im sachlichen Anwendungsbereich auch als gemischte Beurkundung bei Präsenz eines Teils der Beteiligten und Teilnahme der übrigen Beteiligten mittels Videokommunikation zulässig. In diesen Fällen haben die Notarin bzw. der Notar sowohl eine Beurkundungsniederschrift in Papierform als auch eine solche in elektronischer Form aufzunehmen und beide zusammen zu verwahren (§ 16e BeurkG n.F.).
Der Nachweis der rechtsgeschäftlichen (Vollmacht) oder organschaftlichen (bei Beteiligung juristischer Personen mit Auslandsbezug) Vertretung kann jedoch weiterhin nur in Papierform und nicht durch elektronische Übermittlung geeigneter Dokumente geführt werden. Hintergrund dieses Medienbruchs ist im Falle der rechtsgeschäftlichen Vertretung aufgrund Vollmacht, dass nach wie vor nur eine Urschrift oder Ausfertigung in Papierform Vollmachtsurkunde i.S.v. § 172 BGB ist. Die Vollmacht muss darüber hinaus gem. § 2 Abs. 2 GmbHG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB für Zwecke der GmbH-Gründung bzw. Handelsregisteranmeldungen notariell errichtet bzw. beglaubigt sein, bei Auslandsbezug im Regelfall zusätzlich beglaubigt übersetzt und legalisiert bzw. mit Haager Apostille versehen.
Der Nachweis einer organschaftlichen Vertretung deutscher juristischer Personen wird unproblematisch weiterhin durch notarielle Bescheinigung gem. § 21 BNotO geführt werden können, die durch den Notar bzw. die Notarin nach Einsichtnahme in das mit umfassender Publizitätswirkung (§ 15 HGB) ausgestattete deutsche Handelsregister erstellt wird. Problematischer ist dies bei in ausländischen Registern eingetragenen juristischen Personen, da diese Register oftmals nicht mit vergleichbarem öffentlichen Glauben ausgestattet sind. Der Nachweis wird hier wohl durch die nach Einsicht in das (deutschem Standard vergleichbare) ausländische Register erteilte Vertretungsbescheinigung eines ausländischen Notars, beglaubigt übersetzt und legalisiert bzw. mit Haager Apostille versehen, geführt werden müssen. Auch diese legalisierten bzw. mit Haager Apostille versehenen Nachweisdokumente sind in Papierform vorzulegen, da noch kein einheitliches und rechtssicheres Verfahren zur elektronischen Legalisation bzw. Apostille existiert.
Sowohl die erforderliche Feststellung und Überprüfung der Identität der Beurkundungsbeteiligten (s. zuvor II.2.b) als auch der weitere Online-Beurkundungsvorgang erfolgen durchgängig und ausschließlich über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer. Dass die Beteiligten des Online-Notariatsvorganges durchgehend in Bild und Ton präsent sein müssen und währenddessen nicht anderweitigen Tätigkeiten nachgehen dürfen, versteht sich in Abbildung des „analogen“ Beurkundungsvorganges von selbst.
Statt der im Präsenzverfahren aufzunehmenden Papierniederschrift wird im reinen Onlineverfahren nach Beteiligtenidentifizierung durch die Notarin bzw. den Notar die elektronisch aufzunehmende Niederschrift errichtet, verlesen und ggf. auf Verlangen vor Genehmigung zur Durchsicht an den/die Beteiligte(n) elektronisch übermittelt (in gemischten Verfahren sind beide Niederschriften aufzunehmen, s.o.).
Schließlich erfolgt die digitale Unterzeichnung des elektronischen Dokuments mittels Anbringung qualifizierter elektronischer Signaturen durch alle Beteiligten und den Notar bzw. die Notarin (§ 16b Abs. 4 BeurkG n.F.). Der Gesetzgeber hat vorgesehen (§ 78p Abs. 2 Ziff. 4 BNotO n.F.), dass das von der Bundesnotarkammer zu entwickelnde Videokommunikationssystem das Erstellen und Anbringen der qualifizierten elektronischen Signatur ermöglichen soll. Hierzu soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28177, S. 119) für den teilnehmenden Bürger keine spezielle technische Ausstattung wie etwa eine Signaturkarte oder ein Lesegerät, erforderlich sein.
Die für Handelsregisteranmeldungen erforderliche notarielle Online-Beglaubigung erfolgt entsprechend vorstehender Maßgaben durch Identifizierung des/der Beteiligten (Zweistufensystem) und anschließende notarielle Beglaubigung der durch den oder die Beteiligte(n) unter die zu beglaubigende Erklärung angebrachten qualifizierten elektronischen Signatur. Auch diese Vorgänge haben unter ausschließlicher Nutzung des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer zu erfolgen. Zu den technischen und sonstigen Anforderungen kann auf die obigen Ausführungen zur Online-Beurkundung verwiesen werden.
III. Fazit
Der große Wurf ist dem deutschen Gesetzgeber mit dem DiRUG nicht gelungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht in den kommenden Jahren weiterentwickelt und nach Durchlaufen einer Akzeptanzphase eine Ausweitung auf andere Gesellschaftsformen, wie insbesondere die Personenhandelsgesellschaften, andere Register, wie das Genossenschafts- und Partnerschaftsregister, und andere Beurkundungsgegenstände, wie z.B. Kapitalmaßnahmen erfolgen wird. Wir halten Sie hierzu wie gewohnt auf dem laufenden.
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