Der Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens ist regelmäßig eine der entscheidenden Fragestellungen im Kündigungsschutzprozess. Ob oder wann das Kündigungsschreiben zugegangen ist, ist dann schnell nicht mehr so einfach durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu beweisen, wie vielleicht im ersten Moment gedacht. Schließlich hat man mittlerweile durch die Überprüfung eines Sendungsstatus doch jederzeit die Möglichkeit nachzuweisen, wo das Schreiben zu welchem Zeitpunkt ist – oder etwa nicht?
Oft stellt sich die Frage, ob die Kündigung der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer überhaupt zugegangen ist. Ist der Zugang des Kündigungsschreibens für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht nachweisbar, so läuft die Kündigung Gefahr, als unwirksam beurteilt zu werden. Es empfiehlt sich daher dringend, ein besonderes Augenmerk auf die richtige Art und Weise der Zustellung zu legen.
Das sog. Einwurf-Einschreiben erfreut sich als günstige Zustellungsart nach wie vor großer Beliebtheit unter Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern – die Beweiswirkung lässt allerdings zu wünschen übrig. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27.09.2016 (Az. II ZR 299/15) entschieden, dass dem Einwurf-Einschreiben zunächst einmal ein sog. Beweis des ersten Anscheins zukomme, allerdings ist dem Einwurf-Einschreiben diese Anscheinswirkung in der Folge keineswegs von allen Arbeitsgerichten attestiert worden. Insofern verbleibt es bei einer großen Rechtsunsicherheit für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich bei der Übermittlung von Kündigungsschreiben auf das „unkomplizierte“ Einwurf-Einschreiben verlassen.
Zu der Frage nach der Beweiswirkung eines Einwurf-Einschreibens bezog aktuell auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 12.12.2023 (Az. 15 Sa 20/23) Stellung und stellte hier noch einmal die Risiken des Einwurf-Einschreibens konkret heraus.
II. Rechtlicher Hintergrund: Der Zugang der Kündigung
Der Zugang einer Kündigung ist deshalb von so herausragender Bedeutung, da eine Kündigung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie dem Erklärungsempfänger, somit z.B. dem betroffenen Arbeitnehmer, zugeht. Dabei ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Kündigungserklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen davon auszugehen ist, dass der Empfänger von der Erklärung Kenntnis nimmt.
Wenn für den Empfänger diese Möglichkeit unter gewöhnlichen Verhältnissen besteht, spielt es keine Rolle, ob oder wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, wenn er z.B. durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere Umstände zunächst gehindert war. Zum Machtbereich des Empfängers gehört typischerweise der Hausbriefkasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wird ein Brief in den Hausbriefkasten eingeworfen, so geht dieser in dem Zeitpunkt zu, in dem mit der Leerung des Briefkastens gerechnet werden konnte. Erreicht ein Kündigungsschreiben den Hausbriefkasten des Adressaten zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme oder Abholung durch den Adressaten nicht mehr erwartet werden kann, so geht die Kündigung erst am Folgetag zu.
In der Praxis spielt nun wie bereits erwähnt vor allem der Nachweis des Zugangs eine entscheidende Rolle. Den Zugang der Kündigung muss derjenige beweisen, der sich auf sie beruft - somit in der Regel der kündigende Arbeitgeber.
Neben der persönlichen Übergabe oder der Zustellung durch einen Boten, wird nach wie vor gerne eine Übersendung unter Zuhilfenahme der Postdienstleistungen bewirkt. Dafür ist wichtig zu wissen, dass es keinen Anscheinsbeweis dafür gibt, dass ein gewöhnlicher Brief, der der Post zur Beförderung übergeben wird, tatsächlich beim Adressaten zugeht. Es gibt daher auch keinen Beweis des ersten Anscheins, dass eine vom Arbeitgeber als gewöhnlicher Brief abgesandte Kündigung im Stadtgebiet einer Großstadt den Empfänger innerhalb von drei Tagen erreicht. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden den Zugang des Briefs somit nicht beweisen können.
Als sichere Übermittlungsvariante könnte vermeintlich das Einwurf-Einschreiben gelten, da hier die genaue Datums- und Uhrzeitangabe des Einwurfs in einem Sendebeleg vermerkt wird.
Der Auslieferungsbeleg wird von der Post sodann eingescannt, sodass die genauen Auslieferungsdaten vom Absender abgerufen werden können. Daraufhin wird das Original des Auslieferungsbeleges im Rahmen des Scanvorgangs zerstört. Es besteht allerdings die Möglichkeit, eine Reproduktion des elektronisch archivierten Auslieferungsbeleges zu erhalten, aus der sich die Sendungsnummer, das Datum des Einwurfs und die Unterschrift des Postangestellten ergeben.
Ruft der Arbeitgeber die Reproduktion des Auslieferungsbelegs nicht rechtzeitig ab, kann dieser im Zweifel lediglich einen Sendungsstatus zum Zwecke des Zugangsnachweises vorlegen.
III. Urteil des LAG Baden-Württemberg
1. Sachverhalt
Die klagende Arbeitnehmerin, eine medizinische Fachangestellte einer Augenarztpraxis, stritt mit der beklagten Arbeitgeberin, einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft von Augenärzten, über die Wirksamkeit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Der Klägerin wurde außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt, weil sie verdächtigt wurde, eine Patientenakte manipuliert zu haben. Die Kündigung erreichte die Arbeitnehmerin während ihrer Schwangerschaft. Die Beklagte kündigte nach erfolgter Entbindung erneut aus demselben Grund außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Die Beklagte sprach also mehrere Kündigungen aus. Insbesondere ging es im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses um die Frage nach dem Zugang eines Kündigungsschreibens vom 26.07.2022, bei dem die Beklagte einen Zugang am 28.07.2022 per Einwurf-Einschreiben behauptete und die Klägerin entgegnete, die Kündigung nie erhalten zu haben. Die Beklagte sieht den Zugang der Kündigung als erwiesen an, da zu ihren Gunsten der Beweis des ersten Anscheins spräche. Die Zustellung sei durch die Deutsche Post AG erfolgt und damit durch jemanden, der berufsmäßig mit der Zustellung betraut sei und eine entsprechende Erfahrung aufweise. Als Beweis des Zugangs hat die Beklagte dem Gericht den Einlieferungsbeleg und den Sendestatus der Deutschen Post vorgelegt. Sie behauptet, durch die Sendungsnummer und den Statusbericht sei die Zustellung des Schreibens am 28.07.2022 hinreichend nachgewiesen.
2. Entscheidungsgründe
Das LAG Baden-Württemberg entschied im Urteil vom 12.12.2023 unter anderem, dass die Kündigung vom 26.07.2022 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Beklagte habe für den Zugang der Kündigung keinen Beweis angetreten und insbesondere nicht denjenigen Mitarbeiter oder diejenige Mitarbeiterin der Deutschen Post AG als Zeugen oder Zeugin benannt, der oder die den Einwurf vorgenommen haben soll. Bei der Geltendmachung eines Zugangs per Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG sei entscheidend, ob ein sog. Auslieferungsbeleg vorgelegt werde. Beim Einwurf-Einschreiben dokumentiert der betraute Mitarbeiter der Deutschen Post AG den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in dem Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Der dabei gefertigte Auslieferungsbeleg wird dann in einem Lesezentrum zentral für Deutschland eingescannt, so dass die genauen Auslieferungsdaten zur Verfügung stehen. Der Absender kann dann anschließend bei einem Callcenter der Deutschen Post AG gegen Zahlung einer Gebühr einen Ausdruck des elektronisch archivierten Auslieferungsbelegs anfordern, auf dem Datum und Ort des Einwurfs sowie das Namenszeichen des Mitarbeiters der Deutschen Post AG abgebildet sind.
Legt diejenige Partei, die sich auf den Zugang einer Sendung beruft, einen solchen Auslieferungsbeleg nicht vor, sondern nur einen Einlieferungsbeleg und einen „Sendungsstatus“, ist dies dem Auslieferungsbeleg nicht gleichwertig und begründet deshalb keinen Beweis des ersten Anscheins für einen Zugang. Der Sendungsstatus, dessen Nummer einer Sendungsnummer entspricht, die auf dem Einlieferungsbeleg vermerkt ist, hält fest, dass eine Sendung an einem bestimmten Tag zugestellt worden sein soll. Dies bietet dem Absender nur die Möglichkeit, unter Angabe der Lieferungsnummer den jeweiligen Status der Sendung, vornehmlich den Hinweis auf deren Zustellung, bestätigt zu bekommen.
Die Aussagekraft des Sendungsstatus reiche infolgedessen nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen. Sie unterscheide sich von derjenigen der Reproduktion eines Auslieferungsbelegs darin, dass hinter dem Sendungsstatus kein individueller, konkreter Mensch als Gewährsperson steht. Der Sendungsstatus sei ein rein maschinelles Verfahren, das keinerlei menschliches Tun abbilde. Er trage weder den Namen des Zustellers noch dessen Unterschrift oder Namenskürzel, mit der der Zusteller beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Der Auslieferungsbeleg hingegen trage die Unterschrift des Postzustellers. Kann keine Reproduktion des Auslieferungsbelegs von der Deutschen Post AG mehr zur Verfügung gestellt werden, falle dies in die Risikosphäre des Absenders.
Ein Anscheinsbeweis könne ausdrücklich nur für den Fall einer Vorlage des Auslieferungsbelegs bejaht werden.
IV. Fazit
Im Ergebnis zeigt das LAG Baden-Württemberg noch einmal auf, dass ein Einlieferungsbeleg mit Sendestatus als Zugangsnachweis eines Kündigungsschreibens nicht ausreicht.
Das LAG weist dabei insbesondere auf die folgende Möglichkeit hin: Rechtzeitig nach der Aufgabe des Einwurf-Einschreibens kann mit der Sendungsnummer bei der Post ein Auslieferungsbeleg beantragt werden. Anhand dieses Auslieferungsbelegs sei erkennbar, welche Zustellerin oder Zusteller zu welchem Datum und zu welcher Uhrzeit das Schreiben in den Hausbriefkasten geworfen habe. Dann könne die entsprechende Person auch als Zeuge für den Zugang des Kündigungsschreibens benannt werden.
Nach Ansicht des LAG kann im Wege Anscheinsbeweises ein Nachweis des Zugangs der Kündigung potentiell auch per Einwurf-Einschreiben erfolgen, sofern ein Auslieferungsbeleg vorgelegt werden kann. Da das Verfahren aktuell beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig ist (Az. 2 AZR 68/24), bleibt abzuwarten, wie das BAG diese Problematik beurteilt.
Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bleibt es auch vor diesem Hintergrund dabei, dass eine Zustellung des Kündigungsschreibens mittels persönlicher Übergabe oder per Botensendung erfolgen sollte.
Wir danken unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Marie Wegener für die tatkräftige Unterstützung zu diesem Beitrag.
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