I. Einleitung
Als Nachfolgeinstrument genießt das sog. Berliner Testament besondere Beliebtheit. Bei diesem gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen nach dem Tod des Letztversterbenden als gemeinsamen Schlusserben zumeist deren Kinder. Die Verfügungen der Ehegatten hängen voneinander ab und sind daher nach dem Tod eines Ehegatten bindend. In diesem Beitrag werden insbesondere die erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Nachteile im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs der Kinder und die erbschaftsteuerlichen Konsequenzen dargestellt. Das sog. Supervermächtnis wird als alternatives Gestaltungsinstrument skizziert.
II. Nachteile des Berliner Testaments und Optimierungsansätze
1. Verlust der Verfügungsmacht
Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten kann der überlebende Ehegatte das gemeinschaftliche Testament nicht mehr widerrufen und nicht mehr allein über den Nachlass verfügen. Zudem können wegen der Bindungswirkung so gut wie keine Gestaltungsmöglichkeiten nach dem ersten Erbfall mehr durchgeführt werden. Diese Folge ist zwar meistens bei Erstellung des Testaments gewünscht, allerdings kann häufig eine nachträgliche Anpassung an veränderte Umstände erforderlich werden.
Dieser Problematik kann etwa dadurch begegnet werden, dass schon bei der Erstellung des gemeinschaftlichen Testaments Änderungsvorbehalte vereinbart werden oder genauestens bestimmt wird, welche Anordnungen wechselbezüglich sind und welche nicht. In letzterem Fall wäre der überlebende Ehepartner nicht an diese Anordnungen gebunden.
2. Pflichtteil der Kinder
Durch die Einsetzung des Ehegatten als Alleinerben werden die Kinder für diesen ersten Erbfall enterbt, sodass diese berechtigt wären, ihren Pflichtteilanspruch geltend zu machen. Bei der Nachfolgegestaltung ist die Frage aus erbrechtlicher Sicht zentral, wie die Motivation zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche durch die enterbten Kinder verringert werden kann. Hierzu haben sich in der Praxis vielfältige Lösungsmöglichkeiten entwickelt.
Ergänzend zur klassischen Pflichtteilsstrafklausel, die Abkömmlinge von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod des Erstversterbenden abhalten soll, kann im Berliner Testament die sog. Jastrowsche Klausel ergänzt werden. Durch Einfügen der Klausel wird denjenigen Kindern, die beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht fordern, ein betagtes Vermächtnis gewährt. Hierunter versteht man, dass das Vermächtnis zwar von Todes wegen entsteht, aber erst zu einem bestimmten Termin fällig wird und damit zu erfüllen ist. Sinn und Zweck ist dabei, die Kinder dafür zu belohnen, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen, sodass der überlebende Ehegatte durch das gemeinsame Vermögen finanziell abgesichert ist.
So stellt dieses Instrument zwar eine mögliche Lösung für die Pflichtteilsproblematik dar, jedoch ergeben sich für die Erben steuerliche Nachteile, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 11.10.2023 – Az. II R 34/20 entschied: So kann der überlebende Ehegatte die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Daher wird der Nachlass des Erstversterbenden in voller Höhe versteuert. Das durch das Vermächtnis begünstigte Kind hat dann grundsätzlich den Erwerb des betagten Vermächtnisses als vom länger lebenden Ehegatten stammend zu versteuern und kann es auch unter Umständen als Nachlassverbindlichkeit abziehen.
Eine weitere mögliche und praxisnahe Lösung der Pflichtteilsproblematik könnte etwa die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts zu Lebzeiten beider Eheleute durch notariell beglaubigten Vertrag sein. Häufig dürften sich die Kinder dazu allerdings nur durch Abfindungszahlungen bewegen lassen.
3. Erbschaftsteuer
Bei größeren Nachlässen, die die erbschaftsteuerlichen Freibeträge überschreiten, ergeben sich bei der Gestaltung durch das Berliner Testament regelmäßig steuerliche Nachteile. Denn bei dem Nachlass der Ehegatten fällt bei der Grundform des Berliner Testaments zweimal Erbschaftsteuer an: beim ersten Erbfall zulasten des länger lebenden Ehegatten und beim zweiten Erbfall zulasten der Kinder als Schlusserben. Dabei entfallen die Freibeträge der Kinder im Verhältnis zum Erstverstorbenen Ehegatten. Diese Nachteile versucht zwar die Regelung des § 15 Abs. 3 ErbStG abzumildern; eine Ausnutzung der Freibeträge ersetzt dies jedoch nicht. Dies führt auch zu dem Progressionsnachteil des Erbschaftsteuersatzes nach § 19 ErbStG, da bei jedem Erbfall der gesamte Nachlass der Ehegatten versteuert wird.
Allerdings gibt es vielfältige Lösungsmöglichkeiten, die die Vorteile des Berliner Testamentes zu bewahren versuchen. So kann das Berliner Testament um Vermächtnisse zugunsten der Schlusserben ergänzt werden. Dabei sollte versucht werden, einen Kompromiss zwischen der Liquidität so-wie Versorgung des anderen Ehegatten auf der einen Seite und der Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge auf der anderen Seite zu finden. Wichtig ist jedoch auch hier, die Pflichtteilsproblematik nicht unberücksichtigt zu lassen (s.o.).
Eine andere Möglichkeit können lebzeitige Schenkungen unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts sein. Dies hat neben der Ausnutzung der Freibeträge sogar noch die steuerlich vorteilhafte Folge, dass der Wert des Nießbrauchs bei der Wertermittlung der Schenkung abgezogen wird.
III. Supervermächtnis als Gestaltungsalternative
Das Supervermächtnis als Gestaltungsinstrument ermöglicht es, den Eheleuten in der gemeinsamen Nachfolgeplanung eine Entscheidung darüber welche Vermögenswerte der überlebende Ehegatte benötigt und welche Zuwendung die Kinder – abhängig von deren persönlichen Verhältnissen und der Vermögenssituation – erhalten sollen, auf einen späteren Zeitpunkt zu verlagern. Bei dem sogenannten Supervermächtnis werden verschiedene Vermächtnisarten der § 2151 BGB (Auswahl zwischen mehreren Bedachten), § 2153 BGB (Bestimmung der Anteile mehrerer Bedachter) einerseits und § 2156 BGB (Zweckvermächtnis) andererseits kombiniert. Der Vermächtnisanspruch ist daher als eine Art äußerer Rahmen nur auf die Vornahme einer Auswahlentscheidung des Personenkreises potentieller Vermächtnisnehmer und dem Zweck des Vermächtnisses gerichtet. Die übrigen Entscheidungen werden dem überlebenden Ehegatten überlassen, der sodann darüber bestimmt (a) wer der Empfänger des Vermächtnisses aus dem Personenkreis wird, (b) die Art und Höhe der zugewendeten Gegenstände und (c) den Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses.
Ziel der Gestaltung ist es, als Vermächtnis die an die Kinder vom länger lebenden Ehegatten weitergereichten Nachlassgegenstände als vom Erblasser getätigten Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Daher entsteht die Steuerlast erst mit der Bestimmung des Vermächtnisses durch den überlebenden Ehegatten nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG. Die größten Vorteile des Supervermächtnisses sind einerseits die Möglichkeit der Ausnutzung der persönlichen Freibeträge der Kinder nach § 16 ErbStG und andererseits die Möglichkeit des Abzugs des unbedingten Vermächtnisses zugunsten der Kinder vom Gesamtnachlass nach § 10 Abs. 5 ErbStG. Aus steuerlicher Sicht ist bei der Gestaltung genau darauf zu achten, dass das Supervermächtnis nach § 6 Abs. 4 ErbStG im Vergleich zu einer Nacherbschaft gerade nicht beim Tod des Beschwerten fällig wird.
Entscheidend für die zivilrechtliche Zulässigkeit ist, dass sich aus dem Zweck des Vermächtnisses nach § 2156 BGB die – im Vermächtnis zu nennenden - Anhaltspunkte für die Ermessensausübung hinreichend konkret ableiten lassen. Daneben ist als gestalterischer Zweck auch die Nutzung der persönlichen Freibeträge zur optimalen erbschaftsteuerlich Vermögensverteilung in Anbetracht der Steuerprogression des ErbStG anerkannt.
IV. Fazit
Nach wie vor ist das Berliner Testament für viele Eheleute besonders attraktiv. Insbesondere der Wunsch der Absicherung des länger lebenden Ehegatten trägt dazu bei. Es zeigt sich aber, dass die Errichtung eines Berliner Testaments gut durchdacht sein muss und die vielfältigen Rechtsfolgen bedacht werden müssen. Unter Berücksichtigung der individuellen familiären Verhältnisse bietet es sich an, im Vorfeld der Testamentserrichtung eine umfassende Beratung in Anspruch zu nehmen. So können sowohl zivil- als auch steuerrechtlichen Nachteilen im Vorfeld begegnet werden. Vor allem ist auf eine möglichst interessengerechte Aufteilung des Vermögens bereits im ersten Erbgang hinzuwirken. So kann eine steuerlich nachteilige Überversorgung des überlebenden Ehegatten zugunsten der Erbschafsteuerbelastung der Kinder vermieden werden.
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