Mit Beschluss vom 17.11.2020 (Az. VIII R 11/18) hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 S. 5 (bzw. nunmehr S. 4) EStG im Einklang mit der Verfassung steht. Der BFH selbst äußerte erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm.
Die Klärung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Norm obliegt allein dem BVerfG. Sollte das BVerfG der Auffassung des BFH folgen und die Norm für verfassungswidrig erklären, hätte dies nicht nur Konsequenzen für die Beteiligten am Ausgangsverfahren, sondern möglichweise auch für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen, die Kapitaleinkünfte erzielen und bisher in Ermangelung von Aktienveräußerungsgewinnen keine Möglichkeit hatten, etwaige Verluste aus der Aktienveräußerung zu verrechnen. Seitdem sich die Niedrigzinsphase verstetigt hat, neigen immer mehr Bundesbürger zur Kapitalanlage jenseits des altbewährten Sparbuchs und landen dabei nicht selten bei der Geldanlage in Aktien oder Aktienfonds.
II. Hintergrund
Der Gesetzgeber hat sich mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 dafür entschieden, die Einkünfte aus Kapitalvermögen von den übrigen Einkünften zu trennen. Gewinne und Verluste aus Kapitalvermögen dürfen dementsprechend nicht mit Gewinnen oder Verlusten aus anderen Einkunftsarten, etwa aus nichtselbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung, verrechnet werden. Eine Verrechnung darf nur innerhalb der Einkunftsart der Kapitaleinkünfte erfolgen. Regelmäßig erledigen die Banken des Steuerpflichtigen dabei die Besteuerung durch den automatischen Einbehalt der Kapitalertragsteuer bzw. Abgeltungsteuer. Die Banken weisen dabei immer die Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und die Verluste aus der Veräußerung von Aktien getrennt zu den übrigen Kapitaleinkünften aus.
Grund für den separaten Ausweis der Gewinne und Verluste speziell aus der Aktienveräußerung ist die nun beanstandete Regelung in § 20 Abs. 6 S. 5 (bzw. nun-mehr S. 4) EStG. Danach dürfen Verluste aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Die Verluste können allerdings auch in Folgejahren verrechnet werden. Die depotführende Bank stellt entsprechend gemäß § 43a Abs. 3 S. 4 EStG auf Verlangen des Steuerpflichtigen eine Verlustbescheinigung nach amtlichen Muster aus.
Dies hatte bisher für die Steuerpflichtigen zur Folge, dass sie auch dann, wenn die Verluste aus der Veräußerung von Aktien deutlich höher sind als die Gewinne aus Dividenden oder der Veräußerung von Aktienfondsanteilen, einer Besteuerung dieser positiven Kapitaleinkünfte unterliegen. Nimmt der Steuerpflichtige aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem Direktinvestment in Aktien nach einem erzielten Veräußerungsverlust Abstand vom direkten Aktienhandel, fehlt ihm zukünftig dauerhaft die Möglichkeit, seine Aktienveräußerungsverluste mit möglichen Gewinnen aus der Aktienveräußerung zu verrechnen. Damit blieb er nach bisheriger Rechtslage auf seinen Verlusten sitzen.
III. Der Ausgangsfall
Der BFH hatte sich im Revisionsverfahren zum Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 28.02.2018 (Az. 5 K 69/15) mit der Verrechenbarkeit von Aktienverlusten zu befassen, nachdem das Finanzgericht diese Verrechnung unter Hinweis auf die klaren Vorgaben der streitigen Norm und deren Verfassungsmäßigkeit zuvor abgelehnt hatte.
1. Sachverhalt
Dem Rechtsstreit lag ein geradezu typischer Sachverhalt zugrunde: Die Kläger waren Eheleute und wurden für das Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte Kapitalerträge in Höhe von € 2.092 sowie Verluste aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von € 4.819. Die Ehefrau erzielte wiederum Kapitalerträge in Höhe von € 1.289 und selbst keine Verluste aus der Veräußerung von Aktien. Sowohl in den Kapitalerträgen der Ehefrau als auch in denen des Ehemanns fanden sich in dem Streitjahr keine Aktienveräußerungsgewinne.
Das Finanzamt ermittelte nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags Einkünfte aus Kapitalvermögen für den Ehemann in Höhe von € 1.291 und für die Ehefrau in Höhe von € 488. Die Verluste aus der Veräußerung von Aktien wurden dabei unter Anwendung von § 20 Abs. 6 S. 5 bzw. S. 4 EStG nicht mit den anderen Kapitaleinkünften verrechnet. In der Folge berechnete das Finanzamt die auf die Kapitaleinkünfte entfallende Steuer auf € 445 und stellte zum Ende des Streitjahrs (31.12.2012) den Verlustvortrag für die Einkommensteuer für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 4.819 fest.
Die Eheleute gingen gegen diese Bescheidung gerichtlich vor und begehrten die Verrechnung der Aktienveräußerungsverluste mit ihren positiven Kapitaleinkünften. Sie begehrten dabei insgesamt eine Reduzierung der Steuer auf Kapitaleinkünfte auf € 0, da die Aktienveräußerungsverluste des Ehemanns die Summe der Kapitaleinkünfte beider Ehegatten überstiegen. Ihr Hauptargument war dabei dir Verfassungswidrigkeit der Norm, da diese ohne hinreichende Rechtfertigung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
2. Verfahrensgang
Das Finanzgericht verneinte das Begehren der Eheleute und stützte die Ansicht des beklagten Finanzamts. § 20 Abs. 6 S. 4 (bzw. S. 5) EStG sei in jedem Fall anzuwenden, denn die Norm sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger legten hiergegen Revision beim BFH ein. Das FG Schleswig-Holstein führte aus, der Gesetzgeber habe mit der streitigen Norm seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, weil er sich bei der Regelung des Verlustverrechnungsverbots auf den Zweck der Verhinderung von spekulationsbedingten, abstrakt drohenden qualifizierten Haushaltsrisiken als Rechtfertigung für eine etwaige Ungleichbehandlung berufen könne.
3. Vorlagebeschluss des BFH
Dies sah der BFH anders und setzte das Verfahren aus, bis eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt worden ist, ob § 20 Abs. 6 S. 5 (bzw. S. 4) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen. Die Klärung dieser Frage sah der BFH als unerlässlich für seine Entscheidung an. Da letztlich allein das BVerfG die Kompetenz besitzt, eine Norm zu verwerfen, legte er dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor.
Er stellte darüber hinaus klar, dass die von den Klägern begehrte ehepartnerübergreifende Verlustverrechnung jedenfalls in dieser Form nicht vom Gesetzgeber vorgesehen sei. Hierfür fehle es schlicht an einer Rechtsgrundlage. Zudem sind die Pauschbeträge nicht vorab, sondern erst nach Ermittlung eines etwaigen Überschusses der Gewinne über die Verluste zu berücksichtigen. Der BFH deutete daher das Klagebegehren dahingehend um, dass allein die Reduktion der Kapitalertragsteuer auf die auf den Ehemann entfallenden Kapitaleinkünfte begehrt wird, denn nur dieser hatte Aktienveräußerungsverluste erzielt. Die Kapitaleinkünfte der Ehegattin können hingegen selbst bei Verfassungswidrigkeit der Norm nicht mit den Veräußerungsverlusten des Ehemanns verrechnet werden.
4. Kritik des BFH an Veräußerungsverlustverrechnungsverbot
Der BFH äußerte in seinem Vorlagebeschluss erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Verrechnungsverbots und stützte seine Bedenken dabei in Anlehnung an die Argumentation der Kläger insbesondere auf Art. 3 Abs. 1 GG, den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der erkennende achte Senat ist von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt. Er hob hervor, dass das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber aufträgt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Auch vermeintlich zweckmäßige Ausnahmen hiervon dürfen weder willkürlich getroffen noch unverhältnismäßig sein.
Im Hinblick auf das Steuerrecht ist daraus der Grundsatz der Steuergerechtigkeit abzuleiten. Dieser besagt, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist. Dies gelte insbesondere im Einkommensteuerrecht, das ganz besonders auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin ausgelegt ist. Dem ist nicht Genüge getan, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Auch ein etwaiger Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers ende dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung fehle.
Das Fehlen eines einleuchtenden Grundes machte der BFH bei der nach § 20 Abs. 6 S. 5 bzw. S. 4 EStG angeordneten Differenzierung zwischen der Verrechnung von Verlusten aus der Veräußerung von Aktien und den übrigen Verlusten aus Kapitalvermögen aus. Im Einzelnen führte er unter anderem aus:
a) Keine Verlustverrechnungsbeschränkung für mittelbare Aktieninvestitionen
Für den erkennenden BFH-Senat ist die durch die Norm vorgenommene Differenzierung insbesondere dahingehend ungerechtfertigt, als dass zwar Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur eingeschränkt verrechnet werden dürfen, Verluste aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen, die die Wertentwicklung von Aktien ab – bzw. nachbilden und deshalb im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine mittelbare Investition in Aktien gerichtet sind, problemlos mit anderen Kapitaleinkünften verrechenbar sind. Als Beispiel für solche Kapitalanlagen nennt der BFH Aktienfondsanteile, Aktienzertifikate und Aktienoptionen.
Der Gesetzgeber habe in seiner Gesetzesbegründung diese Kapitalanlangen ausdrücklich von dem Verrechnungsverbot ausgenommen, da – so die Ansicht des Gesetzgebers – von diesen Produkten keine qualifizieren Risiken für den Bundeshaushalt ausgingen. Da deren Wert aber eindeutig auf Aktienkurswerten basiere, ist nicht ersichtlich, warum ein Steuerpflichtiger, der direkt in Aktien investiert hat, diesen Anlageformen gegenüber wegen der verbotenen Verrechnung etwaiger Veräußerungsverluste Nachteile haben solle.
b) Gefahr des endgültigen Verlustuntergangs
Der BFH betrachtet ferner nicht nur den einzelnen Veranlagungszeitraum, sondern stellt auch auf die gesamte Einkommenserzielungsphase (Totalperiode) ab; er geht sogar teilweise in seiner Betrachtung darüber hinaus und sieht die Gefahr des drohenden Untergangs von aufgestauten Veräußerungsverlusten im Todesfall, da die Erben diese Verluste jedenfalls nicht selbst nutzen könnten.
Fehlen dem Steuerpflichtigen etwa Gewinne aus Aktienveräußerungen, kann er seine Verluste aus Aktienveräußerungen nicht verrechnen, wobei völlig außer Acht gelassen wird, wie schwerwiegend die Veräußerungsverluste den Steuerpflichtigen wirtschaftlich belastet haben. Auch dies widerspricht nach Ansicht des BFH dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
c) Drohende Haushaltsrisiken und Gestaltungsmissbrauch
Auch in der seitens des Gesetzgebers angeführten Begründung für die Differenzierung zwischen Aktienveräußerungsverlusten und anderen Verlusten aus Kapitalanlagen sieht der BFH einen Widerspruch zur gängigen Rechtsprechung des BVerfG.
Der Gesetzgeber führte bei der Einführung der Norm als Rechtfertigungsgrund an, dass die Erfahrung der Vergangenheit zeige, dass Kursstürze an den Aktienmärkten zu einem erheblichen Verlustpotential bei den Einkünften aus (damals noch) privaten Veräußerungsgeschäften führen könnten. Die Begründung stütze sich daher allein auf fiskalische Interessen. Qualifizierte fiskalische Interessen seien zwar als Begründung für eine Ungleichbehandlung möglich, vorliegend gehe der Gesetzgeber aber von völlig realitätsfremden Erwägungen im Hinblick auf das fiskalische Risiko aus. Denn selbst im Fall eines Börsencrashs wäre auch ohne die Sonderregelung für die Aktienveräußerungsverluste eine Verlustverrechnung auf die übrigen positiven Kapitalerträge beschränkt. Für den Fall, dass die positiven Kapitalerträge aus den übrigen Kapitalerträgen nicht ausreichen, um den Verlust auszugleichen, würde dieser vorgetragen, sodass die Auswirkungen für das jeweilige Haushaltsjahr insgesamt für den Fiskus ohnehin abgemildert wären. Im Haushaltsjahr eines Börsencrashs wären die Einkünfte aller Steuerpflichtiger aus Kapitalanlagen ohnehin überschaubar. Dass nach gesetzgeberischer Intention darüber hinaus die Verluste aus der Veräußerung von Aktienfondsanteilen wiederum problemlos mit anderen Kapitaleinkünften zu verrechnen wären, lässt diese Argumentation nicht sinnvoller erscheinen.
Auch die Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch könne letztlich kein Argument für die Ungleichbehandlung der Veräußerungsverluste aus Aktiengeschäften darstellen. Zum einen besteht für den Steuerpflichtigen seit geraumer Zeit ohnehin nicht mehr die Möglichkeit, durch Abwarten der damaligen Haltefrist eine Steuerfreiheit für Veräußerungserlöse zu erwirken, während gleichsam Veräußerungsverluste gezielt innerhalb der Haltefrist erzielt werden könnten, um diese dann möglichst effektiv steuerlich geltend zu machen. Zum anderen sei auch die Herbeiführung von Verlustverrechnungspotential durch die Veräußerung von Verlustaktien keinesfalls ein Gestaltungsmissbrauch sondern die Wahrnehmung gesetzlich vorgesehener steuerlicher Möglichkeiten.
d) Keine sonstige Förder- oder Lenkungswirkung
Ebenso wenig lässt sich aus außerfiskalischen Förder- und Lenkungszielen eine Rechtfertigung für die Sonderbehandlung der Aktienveräußerungsverluste herleiten. Zwar soll das Verbot der Verlustverrechnung Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit weniger attraktiv machen und daher etwaigen Fehlanreizen entgegenwirken, die Norm ist aber zu wenig auf dieses Ziel abgestimmt. Dies zeige sich nach Auffassung des BFH daran, dass auf der einen Seite solche Veräußerungsverluste ebenfalls erfasst sind, die aus einer langfristigen und nicht-spekulativen Aktienanlage herrühren. Auf der anderen Seite sind aber solche Verluste aus der Beschränkung ausgenommen, die von Kapitalanlagen herrühren, die deutlich spekulativeren Charakter haben, wie etwa Optionen oder Zertifikate.
IV. Auswirkungen
Die Auswirkungen der anstehenden Entscheidung des BVerfG für Steuerpflichtige mit Kapitaleinkünften sind schwierig einzuschätzen. Die Bandbreite reicht dabei von einer rückwirkenden Nichtanwendung für alle noch offenen Veranlagungszeiträume über eine vorübergehende Fortdauer der Regelung trotz ihrer Verfassungswidrigkeit mit der Maßgabe an den Gesetzgeber, eine verfassungskonforme Regelung zu erarbeiten, bis hin zur Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Norm.
Dies liegt an den Möglichkeiten des BVerfG hinsichtlich der Ausgestaltung der Folgewirkung des Urteils. Grundsätzlich gilt für sämtliche staatliche Organe der Vorrang der Verfassung, d.h. einfache gesetzliche Bestimmungen wie die des EStG treten hinter das Grundgesetz zurück. Das BVerfG kann jedoch bloß die Verfassungswidrigkeit feststellen, ohne dass es gleichsam die Norm für nichtig erklärt. Für den Fall, dass das BVerfG der Ansicht des BFH folgt und die Norm für verfassungswidrig erklärt, steht es dem BVerfG frei auf der Grundlage von § 35 BVerfGG die übergangsweise Fortdauer der Norm anzuordnen, um etwa dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, die streitige Regelung verfassungskonform anzupassen.
Aber auch im Fall einer Nichtigkeitserklärung, wonach eine Norm grundsätzlich von Anfang an unwirksam gewesen ist, reicht die Rückwirkung dieser Entscheidung allenfalls bis auf solche Veranlagungszeiträume zurück, die aus der Sicht des Steuerpflichtigen noch nicht bestandskräftig beschieden worden sind.
Es überwiegt tendenziell die Wahrscheinlichkeit, dass, sofern sich das BVerfG dem BFH überhaupt anschließt, die Norm lediglich für verfassungswidrig erklärt wird und eine Fortgeltung bis zu einem bestimmten Stichtag angeordnet wird. Wie der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung dann reagieren werden, bleibt abzuwarten.
V. Fazit
Die Einwände des BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Aktienveräußerungsverlustbeschränkung lassen sich zweifellos hören. Nun ist es die Aufgabe des BVerfG diese Einwände auszuräumen oder zu bestätigen. Sollten sich die Einwände des BFH als tragfähig erweisen, wird das BVerfG die Norm für verfassungswidrig erklären. Aber selbst in diesem Fall ist die Reichweite, insbesondere in zeitlicher Hinsicht in Bezug auf vergangene Veranlagungszeiträume noch nicht abzuschätzen.
Die zunehmende Anzahl der Steuerpflichtigen, die ihr Kapital auch direkt in Aktien investieren, darf mit Spannung auf die anstehende Entscheidung aus Karlsruhe blicken. Sollte - wenn auch nur zukünftig - eine Verrechnung von Veräußerungsverlusten aus Aktiengeschäften auch mit Erträgen aus anderen Kapitalanlageformen möglich sein, erfährt die Attraktivität einer solchen Anlage in steuerlicher Hinsicht definitiv eine Aufwertung. Die Gefahr, die Verluste steuerlich nicht geltend machen zu können und auf diesen „sitzen zu bleiben“, würde erheblich verringert.
Sollten die Karlsruher Richter die Verfassungswidrigkeit des Verrechnungsverbots feststellen, unterstützen wir Sie gerne dabei, die steuerlich richtigen Schlüsse hieraus für Ihre Kapitaleinkünfte zu ziehen.