I. Ausgangslage
Es gibt im deutschen Recht gesetzliche Beschränkungen der Vertretungsmacht, wenn ein gesetzlicher Vertreter einer Gesellschaft – z.B. ein Geschäftsführer oder ein Vorstand – zwei Gesellschaften gleichzeitig vertritt, oder wenn dieser Geschäfte zwischen einer Gesellschaft und sich selbst abschließen will, das sogenannte Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB. Dies ist ein Spezifikum des deutschen Rechts, das sonst in Europa weithin unbekannt ist.
Von diesem Verbot kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Gesellschafterbeschluss befreit werden, sofern eine entsprechende Satzungsregelung besteht. Von dieser Befreiungsmöglichkeit wird in Konzernen auch regelmäßig Gebrauch gemacht, da in Konzern-Gesellschaften häufig dieselben Personen zu Leitungsorganen bestellt sind und der Abschluss von Geschäften zwischen den Konzerngesellschaften häufig erforderlich ist.
Diese Regelungen des § 181 BGB gelten grundsätzlich auch für die Aktiengesellschaft. Bei der Aktiengesellschaft besteht darüber hinaus für den Vorstand noch eine weitere Regelung der Vertretungsbeschränkung gemäß § 112 AktG, wonach der Vorstand allein keine Geschäfte zwischen sich selbst und der Aktiengesellschaft vornehmen darf. Insoweit wird der Vorstand gegenüber der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten.
Dies führt dazu, dass zwar auch der Vorstand von § 181 BGB befreit werden kann, jedoch nur im Hinblick auf die zweite Alternative, nämlich bzgl. der Vertretung des Vorstands gleichzeitig für zwei verschiedene Gesellschaften („Rechtsgeschäft im Namen des Vertretenen und gleichzeitig als Vertreter eines Dritten“). Eine Befreiung des Vorstands von dem Vertretungsverbot zwischen sich persönlich und der Aktiengesellschaft ist jedoch nicht möglich, da insoweit nur der Aufsichtsrat berufen ist.
II. Sachverhalt
Dem Bundesgerichtshof hatte in einem Fall die Rechtsfrage vorgelegen, wie sich das Verhältnis zwischen § 181 BGB und § 112 AktG darstellt, wenn der Vorstand sich selbst zum Geschäftsführer einer neu gegründeten GmbH bestellen will (BGH Beschluss vom 17.1.2023 – II ZB 6/22).
Zwei Vorstände der betroffenen Aktiengesellschaft hatten einen weiteren Vorstand durch Vollmacht ermächtigt, eine GmbH als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Aktiengesellschaft im Wege einer notariellen Beurkundung zu gründen, sodass eine Vor-GmbH bestand. Die Gründungsvollmacht war jedoch von Vorständen erteilt worden, welche sich damit als Vorstände der AG selbst mittelbar über einen weiteren Vorstand zu Geschäftsführern der GmbH bestellen wollten.
Das zuständige Registergericht verweigerte durch Zwischenverfügung die Eintragung und verlangte sowohl einen zusätzlichen Beschluss über die Befreiung der Vorstände von § 181, 1. Alternative BGB durch Gesellschafterbeschluss, als auch eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft. Das Registergericht wendete mithin sowohl § 181 BGB, als auch gleichzeitig § 112 AktG an.
Die Gesellschaft legte daraufhin Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht Frankfurt ein, woraufhin das Oberlandesgericht die Zwischenverfügung insoweit aufhob, als zusätzlich zu der Genehmigung des Aufsichtsrates nach § 112 AktG ein Befreiungsbeschluss auch im Hinblick auf § 181, 1. Alternative BGB verlangt worden war, da eine Genehmigung des Aufsichtsrates ausreichend sei.
Die Zwischenverfügung des OLG wurde jedoch durch den Bundesgerichtshof in der zugelassenen Rechtsbeschwerde schließlich auch bzgl. § 112 AktG aufgehoben, obwohl auch der BGH die grundsätzliche Geltung des Verbotes nach § 181, 1. Alternative BGB bestätigte!
Es konnten die Vorstände der Aktiengesellschaft mithin zumindest eine Vor-GmbH gründen, obwohl sie sich selbst – trotz des Verbots des Selbstkontrahierens – mittelbar durch Vollmachtserteilung zu Geschäftsführern einer Tochter GmbH bestellt hatten.
III. Rechtliche Erwägungen
Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man sich mit den beiden Vertretungsverboten einzeln beschäftigen. Klar ist, dass die Vertretungsverbote nach § 181 BGB und § 112 AktG nicht dadurch umgangen werden können, dass der in der Vertretung beschränkte Vorstand der Gesellschaft eine dritte Person, die selbst nicht Geschäftsführer der Tochtergesellschaft werden soll, durch Vollmacht zur eigenen Bestellung ermächtigt. Denn die eigentliche Entscheidung über die Bestellung tätigt das Organ der Gesellschaft damit selbst, was das Gesetz gerade untersagen will.
Dementsprechend entschied das OLG Frankfurt, § 181 BGB könne nicht wirksam umgangen werden, indem die beiden Vorstandsmitglieder einen Dritten bevollmächtigten, welcher sodann diese beiden Vorstandsmitglieder zu Geschäftsführern einer Tochter GmbH bestelle. Die Geltung des Verbotes nach § 181, 1. Alternative BGB erlange damit auch in der Konzernsituation Geltung, bei der die (mittelbare) Selbstbestellung durch einen Vorstand für die Tochtergesellschaft erfolge.
Die Folge der Anwendung von § 181 Alt. 1 BGB sei dann, wenn eine Gestattung zur Vornahme der Geschäftsführerbestellung durch die vertretene Gesellschafterin nicht besteht, nicht die Nichtigkeit der Bestellung, sondern deren schwebende Unwirksamkeit. Wenn die Geschäftsführerbestellung mithin schwebend unwirksam war, war zumindest die Gründung der Vor-GmbH dennoch möglich, nicht jedoch die Bestellung der Geschäftsführer. Die Zwischenverfügung wurde mithin teilweise aufgehoben.
Nach dem OLG Frankfurt hätte jedoch der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft für die Wirksamkeit der Bestellung der Geschäftsführer nachträglich eine Genehmigung nach § 112 AktG erteilen müssen.
Der Bundesgerichtshof hob die Zwischenverfügung schließlich ganz auf. Die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft sei bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181, 1. Alternative BGB zwar beschränkt. § 112 AktG sei dagegen aber auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich des § 112 AktG sei nicht eröffnet, weil es sich bei der Bestellung eines Geschäftsführers um einen Organakt der Untergesellschaft und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin handele.
§ 112 AktG betrifft mithin nur das Verhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und dem Vorstand und nicht das Verhältnis zwischen der Vertretungsbefugnis des Vorstandes der Aktiengesellschaft einerseits und seiner Bestellung als Geschäftsführer für die Tochtergesellschaft andererseits.
Nachdem der BGH festgestellt hatte, dass § 112 AktG mithin nicht anwendbar war, stand dennoch das Verbot des § 181, 1. Alternative BGB im Raum. Unstreitig war die mittelbare Bestellung der Vorstände zu Geschäftsführern schwebend unwirksam. Als Organakt der Untergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH war aber eine Befreiung von § 181, 1. Alternative BGB möglich. Die Genehmigung sollte jedoch nicht durch den Aufsichtsrat erfolgen können, sondern durch jedes andere ordnungsgemäße Organ, das selbst nicht zum Geschäftsführer bei der Untergesellschaft bestellt werden sollte.
Im konkreten Fall war der durch Vollmacht ermächtigte Vorstand (der selbst nicht zu Geschäftsführer der Untergesellschaft bestellt worden war) ermächtigt, zusammen mit einem Prokuristen für die Aktiengesellschaft zu handeln, sodass die nachträgliche Befreiung von § 181, 1. Alternative BGB mithin in dieser Konstellation erfolgen konnte, ohne dass die bestellten Geschäftsführer mitwirken mussten. An der wirksamen Errichtung der Vor-GmbH änderte all dies nichts.
IV. Unser Tipp
Sowohl das Thema der Vertretungsbefugnis eines Vorstands für die und gegenüber der Aktiengesellschaft, als auch das Verbot des Selbstkontrahierens in verschiedenen Konzernkonstellationen bereitet immer wieder rechtliche Schwierigkeiten und die Sachverhalte sind häufig komplizierter, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
In der Praxis ist es daher unerlässlich, diese Vertretungsbefugnisse vorab sorgfältig zu prüfen, da Fehler zu Unwirksamkeit von Verträgen, Zurückweisung von Eintragungen im Handelsregister sowie zu anderen Haftungsszenarien mit unabsehbaren und oft nicht rückgängig zu machenden Folgen führen können. Sollten Sie mit Vertretungsfragen sowohl bei Aktiengesellschaften als auch bei GmbHs konfrontiert sein, bei der dieselben Personen sich selbst oder mehrere Gesellschaften vertreten, ist es ratsam den Sachverhalt noch mal von einem Fachmann prüfen zu lassen. Sprechen Sie uns gerne an!