I. Sachverhalt
Im Rechts-Tipp vom Januar 2022 hatten wir über eine Entscheidung des Amtsgerichts München vom 01.09.2021 berichtet, das die Klage eines Mieters gegen den Vermieter auf Zustimmung zur Installation einer Ladestation (sog. Wallbox) abgewiesen hatte. Der Mieter einer Wohnung in einer aus zwei Einheiten bestehenden Wohnanlage mit rund 200 Wohnungen und knapp 200 Tiefgaragenstellplätzen beabsichtigte die Anschaffung eines plug-in Hybridfahrzeugs und wollte auf eigene Kosten an seinem Tiefgaragenstellplatz eine über seinen zur Wohnung gehörenden Stromzähler anzuschließende Wallbox installieren lassen, um sein Fahrzeug zukünftig dort aufladen zu können.
Der Vermieter verweigerte diese Zustimmung mit der Begründung, dass pro Hausanschluss jeweils maximal 10 Wallboxen, insgesamt also 20 Wallboxen, versorgt werden könnten und bei einer höheren Anzahl von Wallboxen eine Überlastung der Hausanschlüsse drohe. Aus Gründen der Gleichbehandlung könne einem einzelnen Mieter daher nicht die Zustimmung zur Installation einer Wallbox mit Anschluss an seinen zur Wohnung gehörenden Stromzähler erteilt werden. Der Vermieter verwies den Mieter deshalb an den städtischen Versorger, der durch technische Maßnahmen, wie Installation eines Transformators, Verlegung von Brückenkabeln und Zuleitungen sowie Anbringung neuer Stromzähler, die Versorgung einer höheren Anzahl von Wallboxen mit Strom ohne Überlastung der Hausanschlüsse gewährleisten würde.
Der Mieter hat den Vermieter auf Zustimmung zur Installation der Wallbox durch die von ihm ausgewählte Fachfirma verklagt. Das Amtsgericht München hat diese Klage mit Urteil vom 01.09.2021 – Aktenzeichen: 416 C 6002/21 – abgewiesen.
Auf die Berufung des Mieters hat das Landgericht München I durch Endurteil vom 23.06.2022 – Aktenzeichen: 31 S 12015/21 – das Urteil des Amtsgerichts München abgeändert und den Vermieter verurteilt, dem Mieter die Installation über seinen zur Wohnung gehörenden Stromzähler anzuschließenden Wallbox zu erlauben.
II. Rechtslage
Nach § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB in der seit dem 01.12.2020 geltenden Fassung kann ein Mieter verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchschutz dienen. Dem Mieter steht dabei im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit grundsätzlich frei, welche Firma er mit der Vornahme der baulichen Veränderungen beauftragt, was insofern auch sachgerecht ist, als der Mieter die Kosten für die baulichen Veränderungen selbst zu tragen hat.
Nach § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht der Anspruch des Mieters jedoch dann nicht, wenn die baulichen Veränderungen dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden können.
III. Entscheidung des Landgerichts München I
Das Landgericht München I führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Regelung des § 554 Abs. 1 BGB diene vorwiegend dem Interesse des Mieters und dessen Anspruch auf Vornahme baulicher Veränderungen der Mietsache bestehe nach dem Wortlaut des Gesetzes – als Ausnahme von der Regel – nur dann nicht, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Nur bei Vorliegen dieser Unzumutbarkeit für den Vermieter hat das „Interesse des Mieters zurückzustehen, welches sonst Vorrang hat“.
1. Nach dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München war es unstreitig, dass bei Klageerhebung lediglich 3 Wallboxen vorhanden waren. Dem entsprechend weist das Landgericht München I zunächst darauf hin, dass die von dem Kläger begehrte Wallbox aus technischer Sicht machbar ist.
2. Die Installation einer weiteren Wallbox durch den Mieter ist nach Auffassung des Landgerichts München I für den Vermieter auch nicht unzumutbar.
a) Dass möglicherweise noch andere Mieter künftig eine Wallbox installieren möchten und die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen dann gegebenenfalls nur durch den städtischen Versorger geschaffen werden können, ändert nichts daran, dass jedenfalls die von dem Kläger gewünschte Wallbox ohne Weiteres eingerichtet werden kann.
b) Der vom Amtsgericht München als maßgeblich angesehene Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Mieter ist nach Auffassung des Landgerichts München I im vorliegenden Rechtsstreit nicht einschlägig. Auch wenn es dem Vermieter grundsätzlich nicht verwehrt ist, eine Gleichbehandlung mehrerer Mieter anzustreben, stelle sich diese Frage vorliegend erst und nur dann, wenn später auch noch andere Mieter die Installation von Wallboxen wünschen.
3. Es ist nach Ansicht des Landgerichts München I auch nicht als willkürlich anzusehen, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgeht und nachfolgenden Mietern die Installation von Wallboxen möglicherweise nur gewährt werden kann, wenn diese durch den städtischen Versorger eingerichtet werden. Dem Prioritätsprinzip steht auch nicht die Gesetzesintention des § 554 Abs. 1 BGB entgegen, möglichst vielen Mietern die Nutzung von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen. Durch die Installation der Wallbox des Klägers wird nämlich nicht ausgeschlossen, dass zu einem späteren Zeitpunkt die für die Installation weiterer Wallboxen erforderlichen Voraussetzungen durch den städtischen Versorger geschaffen werden.
IV. Bedeutung der Entscheidung des Landgerichts München
Es besteht ein generelles öffentliches Interesse an der Förderung der Elektromobilität durch zeitgemäße Ausstattung von Stellplätzen mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Der politisch gewünschten Nachhaltigkeit von Klima- und Umweltschutz durch die Normierung eines entsprechenden Anspruchs des Mieters gegen den Vermieter hat der Gesetzgeber mit der seit dem 01.12.2020 geltenden Neufassung des § 554 BGB Rechnung getragen.
Der Anspruch des Mieters aus § 554 Abs. 1 BGB auf Installation einer Wallbox für sein Elektrofahrzeug kann jedoch nicht verbunden werden mit der Bedingung der Auswahl des Vertragspartners (vorliegend: des städtischen Versorgers) durch den Vermieter. Diese Einschränkung mag zwar im Hinblick auf sachliche Gründe (Problematik der ganzheitlichen Stromversorgung ohne Überlastung der Hausanschlüsse und Gleichbehandlung aller an der Installation von Wallboxen interessierten Mieter) nachvollziehbar erscheinen. Solange die Hausanschlüsse durch die Installation einer Wallbox nicht überlastet werden, muss der Vermieter dem Mieter die hierfür erforderlichen baulichen Veränderungen gestatten; der Vermieter kann den Anspruch des Mieters aus § 554 Abs. 1 BGB nicht aufgrund einer unbestimmten künftigen Entwicklung der Nachfrage weiterer Mieter nach der Installation von Wallboxen, deren Eintritt überhaupt noch nicht sicher ist, einschränken.
V. Fazit
Nach dem Urteil des Landgerichts München I gilt für die mieterseitige Installation von Wallboxen also das Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“, jedenfalls solange diese Installationen noch nicht zu einer Überlastung der Hausanschlüsse führen.
Wenn Sie als Vermieter Ansprüchen von Mietern aus § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Erlaubnis baulicher Veränderungen der Mietsache ausgesetzt sind, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchschutz dienen, dann beraten wir Sie gerne.