I. Einleitung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung zu der Frage Stellung genommen, ob Kappungsgrenzen im Rahmen von Abfindungszahlungen nach einem Sozialplan altersdiskriminierende Wirkung entfalten. Zudem wird in dem Urteil vom 7. Dezember 2021 deutlich, dass Kappungsgrenzen grundsätzlich auch für Klageverzichtsprämien vorgesehen werden können, die über die im Sozialplan vorgesehenen Abfindungen hinausgehen – diese müssen nur handwerklich richtig vereinbart werden. Schließlich gibt das BAG auch noch seine dahingehende Rechtsprechung zu Klageverzichtsprämien auf, dass diese auch wirtschaftlich streng von den Mitteln der Sozialplanabfindung zu trennen sind. Insgesamt hat das BAG also ein weiteres Stück Rechtssicherheit für Restrukturierungen geschaffen und die Handlungsmöglichkeiten der Arbeitgeber entsprechend erweitert.
II. Sachverhalt
Im konkreten Fall des BAG war der 58-jährige Kläger seit 1987 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Nachdem die Beklagte sich dazu entschlossen hatte, den Betrieb zu schließen, wurde mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart, welcher für die betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer eine Abfindung vorsah. Die Höhe der einzelnen Abfindungssummen war dabei von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Bruttomonatseinkommen und dem Lebensalter des jeweiligen Arbeitnehmers abhängig. Somit ergaben sich abhängig von der Altersgruppe der Arbeitnehmer Abfindungen in Höhe von 0,25 bis 0,95 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Zusätzlich dazu wurde eine Betriebsvereinbarung geschlossen, welche eine Klageverzichtsprämie beinhaltete. Diese sah vor, dass im Falle des Verzichts auf die Einreichung einer Kündigungsschutzklage nach Erhalt der Kündigung der altersabhängige Faktor um 0,25 erhöht werden würde. Die von der Beklagten zu zahlenden Abfindungen sollten nach dem Sozialplan jedoch auf maximal 75.000,00 EUR begrenzt sein.
Nachdem der Kläger seine Abfindungssumme i. H. v. 75.000,00 EUR erhalten und keine Kündigungsschutzklage eingereicht hatte, klagte er auf die Auszahlung einer Klageverzichtsprämie i. H. v. 26.635,12 EUR, weil ihm diese aufgrund der Deckelung der Abfindung nicht effektiv zugutegekommen sei, sowie auf eine zusätzliche Abfindung i. H. v. 26.213,45 EUR brutto, weil die Deckelung auf maximal 75.000,00 EUR eine unzulässige Altersdiskriminierung darstelle.
III. Sozialplan
Bei dem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 S. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) handelt es sich um eine schriftliche Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat des Unternehmens. Der Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, welche durch die geplanten Betriebsänderungen für die betroffenen Arbeitnehmer entstehen. Denklogische Voraussetzung für die Vereinbarung eines Sozialplans ist, dass in dem betroffenen Unternehmensteil ein Betriebsrat überhaupt besteht. In der Regel findet durch die Betriebsänderung ein Personalabbau statt, weshalb innerhalb des Sozialplans vor allem auch Regelungen für Abfindungszahlungen der betroffenen Arbeitnehmer vereinbart werden. Hierbei kann die jeweilige Sozialplanabfindung auch durch die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gedeckelt werden. Welcher Arbeitnehmer konkret von der betriebsbedingten Kündigung betroffen sein wird, wird letztendlich durch die Sozialauswahl, bspw. unter Verwendung eines Punkte-Systems, ermittelt.
IV. Klageverzicht
Sieht sich der Arbeitgeber wegen einer geplanten Betriebs- oder Betriebsteilschließung in der Situation den Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen, so besteht für ihn recht große Planungsunsicherheit und ein damit korrespondierendes hohes wirtschaftliches Risiko. Schließlich können die betroffenen Arbeitnehmer – trotz beanspruchbarer Abfindungszahlungen nach dem Sozialplan – Kündigungsschutzklage erheben. Dem Arbeitgeber ist es nach ständiger Rechtsprechung des BAG allerdings verwehrt die Abfindungszahlung nach dem Sozialplan unmittelbar von einem Klageverzicht abhängig zu machen.
Arbeitnehmer, die sich nach Erhalt der Abfindungszahlung, gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich zur Wehr setzen, verursachen aber für die restrukturierenden Arbeitgeber im Zweifel hohen Aufwand und noch höhere Kosten, die man durch die im Vorhinein erfolgte detaillierte Planung ja gerade vermeiden wollte.
Will der Arbeitgeber dieses Risiko von vornherein ausschließen, so kann er mit dem Betriebsrat eine weitere Betriebsvereinbarung abschließen, in welcher zusätzliche Zahlungen für den Fall eines Klageverzichts geregelt sind. Anders als der Sozialplan ist eine solche zusätzliche Betriebsvereinbarung nicht verpflichtend, sondern kann auf freiwilliger Basis von Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen werden.
Es handelt sich also um eine gesonderte Betriebsvereinbarung, welche dem Arbeitnehmer, der im Kündigungsfall auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet, einen Anspruch auf eine Klageverzichtsprämie gewährt, die zusätzlich zu der im Sozialplan vorgesehenen Abfindungssumme gezahlt wird.
Bisher ging das BAG davon aus, dass die für den Klageverzicht vorgesehenen Mittel nicht aus dem für die Abfindungszahlungen vorgesehenen Budget entnommen werden dürften. Schließlich sollten die Mittel, die für die Zahlung der Abfindungen bereitgestellt wurden, nicht für den, allein für den Arbeitgeber vorteilhaften, Klageverzicht verwendet werden dürfen.
V. Die Entscheidung des BAG
Das BAG gab dem Kläger teilweise Recht und sprach diesem eine Klageverzichtsprämie i. H. v. weiteren 26.635,12 EUR brutto zu. Im Übrigen hatte die Revision keinen Erfolg.
Das BAG begründete die Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber den Betrag bei der Sozialplanabfindung zwar auf 75.000,00 EUR deckeln durfte, dies jedoch keinerlei Auswirkungen auf die gesondert zu zahlende Klageverzichtsprämie habe. Eine Deckelung der Klageverzichtsprämie sei aber nicht erfolgt. Dies folge u.a. auch daraus, dass die Abfindungszahlung von der Klageverzichtsprämie systematisch streng zu trennen sei. Zudem fehle es in der Betriebsvereinbarung zum Klageverzicht an einer eindeutigen Bezugnahme auf die im Sozialplan enthaltenen Kappungsgrenzen. Es werde nicht deutlich, dass sich die Kappungsgrenze auch auf die Klageverzichtsprämie beziehen solle.
Eine unzulässige Altersdiskriminierung, wie der Kläger sie moniert hatte, lag laut BAG allerdings nicht vor. Schließlich stelle eine Abfindungsdeckelung, wie diese vorliegend in der Begrenzung auf den Höchstbetrag von maximal 75.000,00 EUR zu sehen ist, in allgemeiner Hinsicht keine mittelbare Benachteiligung von älteren Arbeitnehmern dar. Die Deckelung diene vielmehr dazu, möglichst allen betroffenen Arbeitnehmern eine Ausgleichzahlung aus den zur Verfügung stehenden Mitteln zukommen lassen zu können. Damit werde das legitime Ziel der Verteilungsgerechtigkeit verfolgt. Die Kappungsgrenze an sich sei insofern nicht zu beanstanden.
VI. Fazit und Praxishinweis
Arbeitgeber, die sich mit dem Gedanken an eine Betriebs- oder Betriebsteilschließung tragen, sollten dieses Urteil jedenfalls im Gedächtnis behalten. Das BAG verschafft dem Arbeitgeber durch die Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Möglichkeit einer pragmatischeren Vorgehensweise, bei der die zur Verfügung stehenden Mittel einheitlich für die Restrukturierung genutzt werden können und nicht zwanghaft nach Sinn und Zweck der Verwendung (Abfindungszahlung oder Klageverzichtsprämie) getrennt werden müssen.
Zudem ist die Entscheidung in einer weiteren Hinsicht für Arbeitgeber besonders lehrreich. So kommt Kappungsgrenzen, die sich kumulativ sowohl auf die Höhe der Abfindungszahlung als auch auf die Höhe der Klageverzichtsprämie beziehen, nicht per se eine altersdiskriminierende Wirkung zu. Vielmehr kann damit auch das legitime Ziel der Verteilungsgerechtigkeit verfolgt werden. Soll ein solcher Maximalbetrag beide Ansprüche umfassen, so ist der Arbeitgeber gehalten auf die eindeutige Verknüpfung der Höchstgrenze mit beiden, in getrennten Vereinbarungen geregelten, Ansprüchen zu achten.
Wie so oft ist auch in dieser Frage der Einzelfall entscheidend. Das BAG hat mit dieser Entscheidung allerdings in erfreulicher Art und Weise die Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitgeber erweitert.