Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte jüngst zu entscheiden, wann ein Erbe im Sinne des deutschen Erbschaftsteuerrechts die Erbschaft „erwirbt“, wenn es sich um einen Erbfall nach italienischem Recht handelt. Erbschaften mit internationalen Bezügen werden immer häufiger. Nicht selten gilt es bei diesen Erbfällen rechtliche Besonderheiten und spezielle Verfahrensvorschriften zu beachten.
I. Hintergrund: Erbrecht und Erbschaftsteuerrecht
1. Deutsches Erb- und Erbschaftsteuerrecht
Schon innerhalb der EU – vom Rest der Welt ganz zu schweigen – bestehen unterschiedliche Rechtstraditionen, die sich insbesondere in unterschiedlichen Bestimmungen des jeweiligen nationalen Erbrechts äußern. Diese Abweichungen vom deutschen Recht können beispielsweise das Pflichtteilsrecht, den Zeitpunkt des Übergangs der Erbmasse oder die Gültigkeit eines Testaments betreffen.
In Deutschland geht nach § 1922 Abs. 1 BGB mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann dabei auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 BGB) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 BGB) beruhen. Von gewillkürter Erbfolge ist die Rede, wenn der Erblasser seine Erben mittels eines Testaments oder Erbvertrags bestimmt. Die gesetzliche Erbfolge hingegen bestimmt, wer Erbe wird, wenn der Erblasser keine oder keine wirksame Verfügung von Todes wegen errichtet hat. In § 1942 Abs. 1 BGB ist geregelt, dass die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts übergeht, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Dies ist der Grundsatz des Von-Selbst-Erwerbs.
Der Vermögensanfall durch Erbschaft ist wiederum in Deutschland für die Erbschaftsteuer (ErbSt) heranzuziehen. Erbschaftsteuer muss zahlen, wer ein Erbe antritt, das einen bestimmten Freibetrag überschreitet. Eine Steuerpflicht tritt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für den gesamten Vermögensfall (unbeschränkte Steuerpflicht) ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Als Inländer gelten unter anderem natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Aber auch deutsche Staatsangehörige, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, gelten nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b) ErbStG als Inländer, wenn diese sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben. Ein Inländer hat auch grundsätzlich eine rein ausländische Erbschaft in Deutschland anzuzeigen und zu versteuern. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist für die Entstehung der Steuer bei Erbschaften grundsätzlich der Tod des Erblassers der maßgebliche Zeitpunkt. Allerdings bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ErbStG, dass für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten die Erbschaft erst mit Eintritt der Bedingung als erworben gilt.
2. Erbrecht in Europa
In Deutschlands Nachbarländern gilt der Grundsatz des Von-Selbst-Erwerbs allerdings nicht uneingeschränkt. In Frankreich geht zum Beispiel der Nachlass kraft Gesetzes zum Todeszeitpunkt auf den Erben über, dieser muss allerdings ab dem Eintritt des Erbfalls die Erbschaft innerhalb einer Frist von 10 Jahren annehmen. Österreich wiederum setzt ein bestimmtes Verfahren für den vollständigen Erbantritt, die gerichtliche Verlassenschaftsabhandlung mit Einantwortungsbeschluss, voraus. Die bei Deutschen typischerweise beliebten Sehnsuchtsorte Italien und Spanien sind wiederum eher der französischen Rechtstradition verbunden, hier ist eine Annahme der Erbschaft notwendig.
Wann bei einem Erbfall welches Erbrecht Anwendung findet, wenn der Erbfall Bezug zu mehreren Staaten aufweist, regelt für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 04.07.2012, die sog. EU-Erbrechts-Verordnung, für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015.
Danach unterliegt nach Art. 21 dieser Verordnung grundsätzlich die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
II. BFH-Urteil zum Entstehen der Erbschaftsteuer bei einem Erbfall nach italienischem Recht
Mit Urteil vom 17.11.2021 – Az. II R 39/19 – entschied der BFH, dass die inländische Erbschaftsteuer auch dann mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers entsteht, wenn der Erbe nach italienischem Erbrecht die für den Erwerb notwendige Annahme der Erbschaft erst deutlich nach dem Tod des Erblassers erklärt.
1) Sachverhalt
In dem Ausgangsfall verstarb der Vater der Klägerin, ein italienischer Staatsangehöriger, am 24.08.2015 mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass. Die Erbin, die zu diesem Zeitpunkt noch in Deutschland lebte, war aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin berufen. Sie teilte dem Finanzamt den Sachverhalt mit und erklärte, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht für einen Erwerb erfordere. Nach ihrer Auffassung handele es sich jedenfalls bei der Annahme um eine aufschiebende Bedingung, die Erbschaft sei erst mit dem Eintritt der Bedingung, der Annahme der Erbschaft, erlangt. Im Juli 2016 verzog die Erbin aus Deutschland und erklärte erst danach in Italien die Annahme der Erbschaft.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 12.04.2017 Erbschaftsteuer fest und vertrat die Ansicht, dass die Steuer bereits am 24.08.2015 – dem Todeszeitpunkt des Erblassers – und damit zu einem Zeitpunkt entstanden sei, an dem die Erbin einen inländischen Wohnsitz gehabt habe und somit der deutschen Erbschaftsteuer unterliege. Nachdem die Erbin hiergegen erfolglos Einspruch eingelegt hatte, klagte sie vor dem Finanzgericht gegen den Erbschaftsteuerbescheid.
Sie stützte ihre Klage darauf, dass das italienische Recht einen nach deutschem Recht vorgesehenen Von-Selbst-Erwerb nicht kenne. Der Tod des Erblassers führe dort zunächst zu einer Schwebephase mit rechtsträgerlosem Nachlass. Der potentielle Erbe werde erst mit der Annahmeerklärung rückwirkend Erbe. Die Annahmeerklärung stelle daher eine Bedingung im Sinne des § 158 BGB und des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ErbStG dar. Die Steuer entstehe somit erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung, also mit der Annahmeerklärung. Die Rückwirkungsfunktion des italienischen Zivilrechts betreffe nur die Rechtsfolgenebene und nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der zu vergleichenden deutschen und italienischen Rechtsfiguren. Die Ausführungen der Erbin vermochten das Finanzgericht indes nicht zu überzeugen, dieses folgte in seinem Urteil der Ansicht des beklagten Finanzamts. Gegen das Urteil des Finanzgerichts legte die Erbin Revision beim BFH ein.
2) Entscheidung des BFH
Der BFH hat dem Finanzgericht Recht gegeben und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die italienische Erbschaft nach ihrem in Italien verstorbenen Vater ist an dessen Todestag erworben worden. In diesem Zeitpunkt hatte die Erbin ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch im Inland und unterlag somit auch mit ausländischen Erbschaften der deutschen Erbschaftsteuer.
Der erkennende Senat würdigte in seiner Entscheidung insbesondere das italienische Erbrecht und verglich es mit dem deutschen Erbrecht. Ganz konkret ging er der Frage nach, ob die Annahmeerklärung nach italienischem Recht eine Bedingung nach deutschem Recht – mit den entsprechenden Konsequenzen – darstellen könnte. Der BFH verneinte diese Frage.
Abzustellen sei auf die Rechtsfolgen und das wirtschaftliche Ergebnis eines ausländischen Rechtsinstituts, um es mit einem deutschen Rechtsinstitut zu vergleichen. Nach Art. 459 Satz 2 des italienischen Zivilgesetzbuchs „Codice Civile“ wirkt die spätere Erbannahme auf den Zeitpunkt des Todes zurück. Dies unterscheide die italienische Erbannahmeerklärung grundlegend von einer Bedingung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ErbStG in Verbindung mit § 158 BGB, denn diese wirke erst ab dem Zeitpunkt ihres Eintritts, mithin mit Wirkung für die Zukunft. Auch der Umstand, dass wie bei der Bedingung vor der Annahmeerklärung nach Art. 459 Satz 1 Codice Civile ein Schwebezustand existiert, ist nicht entscheidend. Der Grundsatz, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Strukturen des deutschen Rechts die mildere Besteuerung gelten müsse, lässt diese Beurteilung unberührt, da die Annahmeerklärung eindeutig keine Bedingung darstelle, sodass schon gar nicht mehrere Strukturen des deutschen Rechts zur Verfügung gestanden haben.
III. Fazit
Ein kleines Detail in einer ausländischen Rechtsordnung kann grundsätzliche Bedeutung für das Entstehen der Erbschaftsteuer im Inland haben, dies gilt besonders in solchen Fällen, in denen der Erbe kurz nach dem Ableben des Erblassers aus Deutschland wegzieht. Zudem kann der genaue Zeitpunkt des Erwerbs auch eine Rolle bei der 10-Jahres-Frist hinsichtlich der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge spielen. Für Erbfälle nach italienischem Erbrecht steht nunmehr fest, dass hier – wie auch im deutschen Recht – auf den Todeszeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt der Annahme abzustellen ist.
Da ein internationaler Erbfall der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen kann, wenn der Erbe oder die Erbin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, empfiehlt es sich bei einer ausländischen Erbschaft, möglichst frühzeitig fachkundigen Rat einzuholen. So können im Zweifelsfall alle steuerlichen Pflichten, etwa Anzeigepflichten, erfüllt werden. Daneben können auch rechtzeitig Verfahrensfragen, etwa den Nachweis der Erbenstellung gegenüber (deutschen oder ausländischen) Grundbuchämtern oder Banken, abgestimmt werden.