Seit der Vorlage des Bundesfinanzhofs im Jahr 2013 befasste sich das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und dessen Verfassungsmäßigkeit. Fraglich war insbesondere der Ausschluss der steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften. Mit Beschluss vom 28.11.2023 hat das BVerfG nunmehr entschieden, dass dieser Ausschluss gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitssatz verstößt.
I. Ausgangslage
Überträgt eine Personengesellschaft eines ihrer Wirtschaftsgüter auf eine andere Personengesellschaft, führt dies grundsätzlich zu einem einkommensteuerpflichtigen Veräußerungsvorgang. Die übertragende Gesellschaft hat in diesem Fall den Gewinn (oder Verlust), der aus der Veräußerung resultiert, zu versteuern. Wird das Wirtschaftsgut gegen Zahlung eines Entgelts (Kaufpreis) übertragen, ermittelt sich der zu besteuernde Veräußerungsgewinn anhand des Kaufpreises für das Wirtschaftsgut abzüglich der für dieses einst angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Erwirbt die übertragende Gesellschaft also beispielsweise eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 € und veräußert diese ein Jahr später für einen Preis von 300.000 €, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 100.000 €.
Wird ein Wirtschaftsgut hingegen unentgeltlich übertragen, existiert kein Kaufpreis, sodass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf einen anderen Wert ausgewichen werden muss. Dies ist im Grundsatz der sogenannte Teilwert. Hierunter ist derjenige Wert zu verstehen, den ein Dritter für den Erwerb des Wirtschaftsguts aufwenden würde (Verkehrswert). Erwirbt die übertragende Gesellschaft somit eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, die aufgrund von Wertsteigerungen ein Jahr später einen objektiven Verkehrswert von 250.000 € aufweist, und überträgt diese dann unentgeltlich auf eine andere Gesellschaft, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 50.000 €. Die unentgeltliche Übertragung führt damit grundsätzlich auch zur Aufdeckung der in dem Wirtschaftsgut befindlichen stillen Reserven.
II. Ausnahme: Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG trägt dem Gedanken Rechnung, dass gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen grundsätzlich keine steuerwürdigen Tatbestände darstellen sollen. Die Regelung eröffnet deshalb verschiedene Möglichkeiten, die es bei einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern erlauben, anstelle des Teilwerts den Buchwert anzusetzen, der sich regelmäßig auf die Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts beläuft. Erwirbt die übertragende Gesellschaft daher eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, beträgt der Buchwert ebenfalls 200.000 €. Durch die Buchwertfortführung wird somit erreicht, dass sich der Veräußerungsgewinn aus der Übertragung immer auf 0 beläuft; die Aufdeckung stiller Reserven sowie die Belastung mit Einkommensteuer wird vermieden.
Eine Personengesellschaft verfügt neben ihrem eigenen Vermögen (Gesellschaftsvermögen) über sogenanntes Sonderbetriebsvermögen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um solche Wirtschaftsgüter, die einem der Gesellschafter gehören und die dieser zur Führung des Betriebs der Gesellschaft zur Nutzung überlässt (beispielsweise überlassene Maschinen oder Grundstücke). Das Gesellschaftsvermögen sowie das Sonderbetriebsvermögen stellen gemeinsam das Betriebsvermögen der Personengesellschaft dar. Die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens werden damit für einkommensteuerliche Zwecke der Personengesellschaft zugeordnet, verbleiben zivilrechtlich jedoch individuelles Eigentum des Gesellschafters.
Wird ein Wirtschaftsgut zwischen den verschiedenen Betriebsvermögenssphären des Gesellschafters verschoben, ermöglicht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – sofern die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt – grundsätzlich den Ansatz des Buchwerts und damit die Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven. So erfolgt beispielsweise die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (das Gesetz spricht trotz dessen Wegfalls durch das „MoPeG“ von Gesamthandsvermögen) derselben Personengesellschaft (und umgekehrt) unter Fortführung des Buchwerts.
Nicht vom Wortlaut der Norm umfasst ist hingegen die direkte Übertragung aus dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer Personengesellschaft in das Gesellschafts-vermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen, beteiligungsidentischen Personengesellschaft. Die Praxis behalf sich in diesen Fällen oftmals mit Ausweichgestaltungen, wie beispielsweise einer zweistufigen, zeitraubenden und aufwändigen Gestaltung über die vorherige Übertragung des Wirtschaftsguts in das Sonderbetriebsvermögen und von dort aus in das Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) der anderen Personengesellschaft.
III. BVerfG zu Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
1. Die Entscheidung des Gerichts
Mit Beschluss vom 28.11.2023 (Az. 2 BvL 8/13) entschied nunmehr das BVerfG nach über 10 Jahren Verfahrensdauer[!], dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in seiner aktuellen Fassung – aufgrund der Nichtberücksichtigung der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften – gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des BVerfG werden Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften im Vergleich zu Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen ungleich behandelt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund existiert.
2. Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis
Das BVerfG hat den deutschen Gesetzgeber mit seinem Beschluss verpflichtet, eine Neuregelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu treffen, die rückwirkend für alle betroffenen Übertragungen nach dem 31.12.2000 gelten soll. Bis dahin bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsgutstransfers nach dem 31.12.2000 gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird. Die Entscheidung des BVerfG ermöglicht es Steuerpflichtigen damit, künftig Wirtschaftsgüter – ohne den Umweg über das Sonderbetriebsvermögen – direkt auf eine beteiligungsidentische (Schwester-)Personengesellschaft zu Buchwerten zu übertragen. Dies führt zu einer großen Erleichterung bei der Umstrukturierung von Gesellschaftsgruppen.
IV. Offene Fragen
1. Übertragungen zwischen nicht beteiligungsidentischen Personengesellschaften
Notwendigerweise stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die durch das BVerfG hinsichtlich des Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften getroffene Entscheidung auch auf nur teilweise beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften übertragen lässt. So kann beispielsweise an den folgenden Fall gedacht werden: An der KG 1 sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt, an der KG 2 sind die Gesellschafter A und C zu jeweils 50 % beteiligt. Wird nun ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen der KG 1 in das Gesamthandsvermögen der KG 2 übertragen, dürfte dieser Fall bei strenger Auslegung des BVerfG-Beschlusses nicht zu Buchwerten möglich sein, weil keine Beteiligungsidentität zwischen den Gesellschaften besteht.
Durch die Erstellung von Ergänzungsbilanzen wäre in diesem Fall allerdings auch eine teilweise Übertragung zu Buchwerten – nämlich in Höhe der identischen Gesellschaftsbeteiligung des A von 50 % – möglich. Hier könnte dem Gedanken der leistungsgerechten Besteuerung folgend eine gesellschafterbezogene Betrachtung vorzunehmen sein, sodass (nur) eine anteilsmäßige Aufdeckung stiller Reserven verfassungsgemäß wäre. Bei einem weniger strengen Verständnis des BVerfG-Beschlusses läge in Höhe gleicher Beteiligung gerade keine Erhöhung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen vor.
2. Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten
Offen ist zudem, ob die Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften lediglich bei unentgeltlichen Übertragungen zu Buchwerten möglich ist oder ob die Beurteilung des BVerfG auch bei der Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten Anwendung findet. Der dem Beschluss des BVerfG zugrundeliegende Sachverhalt umfasste lediglich eine unentgeltliche Übertragung, eine Aussage zur Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten enthält die Entscheidung allerdings nicht. Wie letztere Fälle zu behandeln sein werden, wird voraussichtlich erst geklärt werden, wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung zu § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vornimmt. Gefordert wird in diesem Zusammenhang auch, die Sperrfristenregelung von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG insoweit für unanwendbar zu erklären, da es nicht zum einem Übergang von stillen Reserven auf anderen Personen kommt.
V. Fazit
Der Beschluss des BVerfG ist für die Praxis erfreulich, weil er nunmehr auch die direkte Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Vermögen einer Personengesellschaft in das Vermögen einer anderen Personengesellschaft bei Beteiligungsidentität zu Buchwerten ermöglicht. Umstrukturierungsvorgänge innerhalb von Gesellschaftsgruppen werden damit massiv vereinfacht. Dennoch wirft die Entscheidung auch eine Reihe von Folgefragen auf, die in naher Zukunft wohl keine Klärung erfahren werden. Es darf daher mit Spannung abgewartet werden, in welcher Weise der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG in einer neuen Fassung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG umsetzen wird.
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