I. Einleitung: Als Ehepaar Vermögen vererben
Bei wortwörtlicher Betrachtung sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Ehe ein Zusammenleben vor, das erst durch den Tod geschieden wird. Sollte sich dieser Grundsatz bewahrheiten, stellt sich, spätestens wenn die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Lebensabschnitt beschreiten, die Frage nach der Gestaltung des gemeinsamen Nachlasses. Dieses Thema ist für die Beteiligten häufig unangenehm und wird entsprechend häufig aufgeschoben und – wenn überhaupt – recht spät angegangen.
Zwar deckt in vielen Fällen die gesetzliche Erbfolge die Vorstellungen der Erblasser weitestgehend ab. Bei Patchwork-Familien kann die gesetzliche Erbfolge aber nicht zu den von beiden Erblassern gewollten Ergebnissen führen. Zudem berücksichtigt die gesetzliche Erbfolge nicht die individuellen Wünsche der Erblasser, wenn etwa besonderes Vertrauen oder Engagement eines Abkömmlings besonders gewürdigt werden soll. Auch ist die Absicherung des überlebenden Ehegatten ein Motiv, um von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. In einem solchen Fall kann eine gute und mit geringem Aufwand verbundene Lösung ein gemeinschaftliches Testament sein, das nachfolgend mit seinen möglichen Vor- und Nachteilen kurz vorgestellt werden soll.
II. Gesetzliche Erbfolge und letztwillige Verfügung(en)
1. Gesetzliche Erbfolge
Ohne Testament – egal ob einzeln oder gemeinschaftlich – greift die gesetzliche Erbfolge, nach der die Erben in sog. Ordnungen eingeteilt werden: Erben erster bis vierter Ordnung. Dabei bilden die Abkömmlinge des jeweiligen Erblassers, die Kinder und Enkelkinder, die Erben der ersten Ordnung, § 1924 BGB. Solange ein Abkömmling (Kind) lebt, sind wiederum dessen Abkömmlinge (d.h. Enkel- und Urenkelkinder des Erblassers) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Hat ein Erblasser keine Abkömmlinge bzw. gibt es keine Erben der ersten Ordnung, rücken die Erben der zweiten Ordnung – die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister des Erblassers) – in die Erbenstellung ein. Der Gesetzgeber hat den Ehegatten des Erblassers keiner Ordnung zugerechnet, sondern ihn gesondert berücksichtigt: Nach § 1931 BGB ist der überlebende Ehegatte neben den Abkömmlingen zu einem Viertel, neben den Erben der zweiten Ordnung oder den Großeltern zur Hälfte als gesetzlicher Erbe berufen. Zudem erhält der überlebende Ehegatte zum Ausgleich des während der Ehe erzielten Zugewinns einen pauschalen Zuschlag zum Erbteil von einem Viertel. Für den Fall, dass weder Abkömmlinge, noch Erben der zweiten Ordnung oder Großeltern vorhanden sind, erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.
2. Das gemeinschaftliche Testament – der letzte Wille der Ehegatten
Wenn die gesetzlich vorgesehene Erbfolge nicht den Wünschen der Erblasser entspricht, kann durch ein Testament eine andere Erbeneinsetzung vorgesehen werden oder zumindest die Erbquote geändert werden. Hier kann es lediglich zu Einschränkungen in der Vermögensnachfolge durch das Pflichtteilsrecht kommen, im Übrigen herrscht aber Testierfreiheit. Ehegatten haben, wenn sie die Vermögensnachfolge durch letztwillige Verfügungen regeln wollen, im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, ihr „gemeinsames Vermögen“ zu vererben:
Einerseits kann natürlich jeder Ehegatte einzeln für sich ein Testament verfassen. Im Vorfeld können sich die Ehegatten abstimmen, wer wen zu welcher Quote in seinem Testament bedenkt, so dass letztlich die Vermögensnachfolge zusammen gestaltet wird. Es kann sich aber andererseits als sinnvoller erweisen, die letztwilligen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament festzuhalten und dabei wechselseitige Verfügungen vorzunehmen. Typischerweise setzen sich die Ehegatten hierbei zunächst gegenseitig als Alleinerben ein, so dass das Vermögen des verstorbenen Ehegatten zuerst auf den noch lebenden Ehegatten übergeht. Es wird zudem ein Schlusserbe bestimmt, der dann Erbe des gesamten Nachlasses nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten wird. Bei den Schlusserben handelt es sich regelmäßig aber nicht zwingend um die Abkömmlinge.
a) Vorteile des gemeinschaftlichen Testaments
Diese Lösung hat zunächst den Vorteil, dass sich die Vermögenslage für den länger lebenden Ehegatten nicht verändert, weil der Ehegatte als Alleinerbe keinen Ansprüchen etwaiger Miterben ausgesetzt ist. Entsprechend muss für die Befriedigung dieser Ansprüche auch kein Vermögen veräußert werden, um die hierfür notwendige Liquidität zu beschaffen. Unter Umständen lässt es sich sogar verhindern, dass die (vorläufig) enterbten Abkömmlinge ihre gesetzlichen Pflichtteilsansprüche geltend machen. Das gemeinschaftliche Testament der Ehegatten kann zu Lebzeiten beider Ehegatten jederzeit widerrufen werden. Der zuerst versterbende Ehegatte hat aber die Gewissheit, dass mit seinem Ableben die Anordnungen in dem Testament nicht mehr widerrufen werden können und die Verfügungen damit bindend geworden sind.
Zudem kann ein solches Testament ohne die Beteiligung eines Notars wirksam errichtet werden. Es reicht in formeller Hinsicht aus, wenn es von einem der beiden Ehegatten handschriftlich verfasst und von beiden Ehegatten unterschrieben wird. Aus Sicherheitsgründen sollten auch die gesetzlichen Soll-Vorgaben (bspw. Datum und Ort) mit angegeben werden. Sollten sich die gemeinsam getroffenen Verfügungen im Laufe der Zeit aus Sicht beider Ehegatten als nicht mehr erwünscht erweisen, kann das gemeinschaftliche Testament zu Lebzeiten durch beide Ehegatten einfach widerrufen werden, indem etwa ein neues Testament verfasst wird. Die „ewige Bindung“ greift erst nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten.
b) Nachteile des gemeinschaftlichen Testaments
Der Vorteil, dass nach dem Ableben des Ehegatten das gemeinschaftliche Testament nicht widerrufen werden kann, kann sich unter Umständen als großer Nachteil erweisen, etwa wenn ein Ehegatte früh verstirbt und der überlebende Ehegatte in der Folgezeit eine neue Familie gründet und gegebenenfalls noch nach Jahrzehnten an das Testament gebunden ist.
Zudem kann das häufig im Vordergrund stehende Ziel, dem überlebenden Ehegatten den ehelichen Vermögensstand uneingeschränkt zu belassen, nicht immer vollständig erreicht werden, weil das Pflichtteilsrecht der (jedenfalls vorläufig) enterbten Abkömmlinge nicht außer Kraft gesetzt werden kann bzw. sich nicht immer Klauseln finden lassen, die den Pflichtteilsberechtigten Anreize bieten, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu verzichten.
Schließlich sollten die Ehegatten bei der gemeinsamen Planung der Vermögensnachfolge die Erbschaftsteuer nicht außer Acht lassen. Insbesondere die erbschaftsteuerlichen Freibeträge und die Art und Weise der genauen testamentarischen Verfügung können zu einer höheren oder niedrigeren Belastung mit Erbschaftsteuer führen. Speziell beim Schlusserben kommt es zu einer Ballung des übertragenen Vermögens, was schnell zu einem Überschreiten der Freibeträge führen kann. Allein aus steuerlichen Gründen kann sich daher schon das Nachdenken über Anpassungen der letztwilligen Verfügung oder Alternativen lohnen. Die Möglichkeiten zur Vermeidung einer übermäßigen erbschaftsteuerlichen Belastung des Schlusserben sind mannigfaltig; Das Spektrum kann von komplizierten Klauseln im Testament bis hin zu lebzeitigen Schenkungen unter Nießbrauch reichen.
III. Unser Tipp
Es ist immer sinnvoll, die Vermögensnachfolge rechtzeitig zu planen. Dies gilt umso mehr für Ehegatten, die ihr Vermögen während der Ehe zusammen aufgebaut haben. Insbesondere dann, wenn das Vermögen nicht einseitig verteilt ist, sollte die Nachfolge aufeinander abgestimmt werden oder wechselbezüglich voneinander abhängig gemacht werden. Zwar kann die gesetzliche Erbfolge im Wesentlichen auch den Wünschen der Erblasser genügen, eine etwaige Erbauseinandersetzung kann aber zu herben finanziellen Einschnitten bei dem oftmals hochbetagten länger lebenden Ehegatten führen. Ungeachtet der Vermögenszuordnung sollte auf jeden Fall auch die Erbschaftsteuer im Blick behalten werden. Unter Umständen können kleine Änderungen in der Erbeneinsetzung oder die Anordnung eines Vermächtnisses die Erbschaftsteuer erheblich senken, ohne dass es zu spürbaren Einschnitten bei dem länger lebenden Ehegatten kommt.
Egal ob die Absicherung des länger Lebenden oder steuerliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen: Die Vermögensnachfolge sollte rechtzeitig geplant werden. Auch wenn das Gesetz und die Praxis viele Möglichkeit bereithalten, um im Vorfeld auf unerwartete Entwicklungen zu reagieren: Wenn der Erbfall erst einmal eingetreten ist, kann der Erblasser Fehler in der Nachlassplanung nicht mehr korrigieren.