Sie sind verheiratet und haben minderjährige Kinder. Oder Sie sind geschieden und Mutter oder Vater eines noch minderjährigen Kindes. Oder Sie sind verheiratet, kinderlos und Inhaber eines von Ihrem noch lebenden Vater übernommenen und zusammen mit Ihrer Schwester geführten Familienunternehmens. Oder Sie sind im Rentenalter, verwitwet, haben mehrere erwachsene Kinder, von denen eines eine Behinderung hat und ein anderes in der Nähe wohnt und Sie regelmäßig pflegt. Oder Sie sind noch jung, leben in einer festen Beziehung ohne Trauschein und ohne eingetragene Lebenspartnerschaft. Oder Sie sind im mittleren Alter, leben ohne feste Beziehung, haben keine Kinder und Ihre beiden Eltern sind schon verstorben. Oder …
Ein Testament haben Sie bislang noch nicht errichtet. Beim plötzlichen Unfalltod eines Bekannten ist Ihnen erneut bewusst geworden, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Sie haben zwar immer mal wieder darüber nachgedacht, selbst ein Testament aufzusetzen, haben dies aber bislang immer hinausgeschoben. Überhaupt sind Sie der Meinung, dass dies noch Zeit hat und Sie noch gar nicht wissen, ob es aufgrund der gesetzlichen Erbfolge in Ihrem Fall überhaupt erforderlich ist, ein eigenes Testament aufzusetzen.
II. Interessenlage
Zeitlebens wollen Sie selbst bestimmen, was Sie mit Ihrem Vermögen tun, wofür Sie Ihr Geld ausgeben, wen Sie in welcher Weise unterstützen oder beschenken und wen nicht. Dabei liegt Ihnen die Versorgung und das Wohl der Menschen, die Ihnen nahestehen (zumeist Angehörige und Freunde), besonders am Herzen. Daher sind Sie daran interessiert, dass auch im Falle Ihres Todes Ihr Nachlass oder auch nur einzelne Gegenstände oder Geldbeträge daraus möglichst denjenigen zugutekommen, denen Sie etwas zukommen lassen wollen.
Natürlich liegt Ihnen auch daran, dass nach Ihrem Tod der Familienfrieden gewahrt bleibt, Freundschaften nicht auseinanderbrechen und es unter den Erben und Nichterben möglichst zu keinen Streitigkeiten über das Erbe kommt.
III. Rechtslage ohne Testament
Im Erbrecht gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Das bedeutet, dass in der Sekunde, in der der Erblasser stirbt, die Erben rechtlich in seine Fußstapfen treten und automatisch sein gesamtes Vermögen, einschließlich aller Verbindlichkeiten, Rechte und Pflichten übernehmen. Deswegen muss klar geregelt sein, wer der oder die Erben sind.
Wenn Sie weder ein Testament noch einen Erbvertrag aufgesetzt haben, gilt in Ihrem Todesfall die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelte gesetzliche Erbfolge. Danach geht das Erbe an Ihre nächsten noch lebenden Verwandten und – wenn sie verheiratet sind – Ihren Ehegatten bzw. Ihrer Ehegattin nach den gesetzlichen Vorgaben in §§ 1922 ff BGB. Welcher Verwandte in Ihrem Fall Erbe wird, bestimmt sich danach, wie nah das Verwandtschaftsverhältnis zu Ihnen ist. Hierzu hat der Gesetzgeber die Verwandten in verschiedene „Ordnungen“ eingeteilt:
Gesetzliche Erben erster Ordnung sind die „Abkömmlinge“ des Erblassers, d.h. die mit ihm in gerader absteigender Linie Verwandten jeglichen Grades, also seine Kinder (eheliche wie nichteheliche), Enkel, Urenkel etc., wobei aus der Sicht des Erblassers lebende nähere Verwandte (z.B. Kind) entferntere Verwandte (z.B. Enkel) verdrängen. Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist im Erbfall ein Kind bereits vorverstorben, geht dessen Erbteil an dessen Kinder (Enkel) zu unter sich gleichen Teilen.
Gesetzliche Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Geschwister, Neffen und Nichten des Erblassers. Leben zur Zeit des Erbfalls die Eltern, so erben sie allein und zu gleichen Teilen. Ist ein erbberechtigter Elternteil bereits vorverstorben, dann übernehmen dessen Kinder den Erbteil ihres verstorbenen Elternteils zu unter sich gleichen Teilen.
Gesetzliche Erben dritter Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Darüber hinaus gibt es gesetzliche Erben vierter Ordnung sowie noch fernerer Ordnungen.
In jedem Erbfall schließt ein/e oder mehrere lebende Verwandte einer vorhergehenden Ordnung alle Erben einer ferneren Ordnung aus.
Hinterlässt der/die Verstorbene eine Ehegattin bzw. einen Ehegatten (vorausgesetzt, beide waren zum Todestag nicht geschieden oder lebten nicht in Scheidung), so hat diese bzw. dieser ein eigenes Erbrecht in Bezug auf die Verstorbene bzw. den Verstorbenen (§ 1931 BGB). Die Ehefrau bzw. der Ehemann sind neben den Erben erster Ordnung (Kinder, Enkel etc.) zu 1/4 und neben den Erben zweiter Ordnung (Eltern, Geschwister, Neffen, Nichten etc.) zu 1/2 gesetzliche Erben. Lebten die Eheleute zuletzt im „gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft“ (gesetzlicher Regelfall, wenn die Eheleute zuvor nichts anderes geregelt haben), dann erhöht sich der vorgenannte gesetzliche Erbteil der überlebenden Ehegattin bzw. des überlebenden Ehegatten zusätzlich um 1/4.
Verschwägerte, wie Schwiegermutter, Schwiegersohn, Stiefvater, Stieftochter, angeheirateter Onkel etc. sind in jedem Fall von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.
Letztlich erben demnach nur einige gesetzliche Erben.
Beispiel 1: Eine Erblasserin hinterlässt ihre Mutter, einen Bruder, ihren Ehemann und 2 Söhne. Gesetzliche Erben sind der Ehemann zu 1/2 (1/4 + 1/4) und die beiden Söhne zu je 1/4.
Beispiel 2: Ein Erblasser hinterlässt eine Ehefrau, seinen Vater, eine Schwester und einen Schwager. Gesetzliche Erben sind die Ehefrau zu 3/4 (1/2 + 1/4), der Vater zu 1/8 und die Schwester ebenfalls zu 1/8.
Beispiel 3: Eine Erblasserin hat eine Tochter und einen Sohn, beide haben jeweils 2 Kinder (Enkel). Der Sohn ist im Todeszeitpunkt der Erblasserin bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben sind die Tochter zu 1/2 und die zwei Enkel nach dem vorverstorbenen Sohn zu jeweils 1/4.
Andere Verwandte, Verschwägerte und Freunde der Erblasserin bzw. des Erblassers – egal wie nah oder fern sie ihr bzw. ihm persönlich standen – gehen nach der gesetzlichen Erbfolge leer aus.
IV. Inhalte eines Testaments
Zunächst sollten Sie sich bewusst machen, wie in Ihrem eigenen Todesfall die gesetzliche Erbfolge wäre, insbesondere wer zu welchem Anteil Erbe Ihres Nachlasses würde und wer nicht.
Wenn Sie dies nicht wollten oder auch nur eine Kleinigkeit anders regeln wollten, müssen Sie ein Testament (oder einen Erbvertrag) machen. Ein Testament geht stets der gesetzlichen Erbfolge vor. Es erben dann nur diejenigen, die im Testament genannt sind.
In einem Testament haben Sie es somit in der Hand, Ihre Vermögensnachfolge nach Ihrem Ableben frei selbst zu bestimmen. Dabei steht Ihnen eine Vielzahl von Möglichkeiten offen. Sie sollten bzw. können bestimmen,
- wer „Erbe“ wird und damit indirekt, wer nicht Erbe wird. Bei mehreren Erben sollten Sie zugleich entscheiden, wer zu welcher Erbquote erbt. Die Erben und ihre Erbquoten müssen klar und eindeutig benannt sein. Ohne die Angabe einer Quote, gilt von Gesetzes wegen für alle benannten Erben die gleiche Quote;
- wer ggf. sein Erbe nur als „Vorerbe“ erhält und wer nach dem Tod des Vorerben der oder die „Nacherben“ sein sollen. Mit dieser Regelung lässt sich der Nachlass vor dem ungewollten Zugriff Dritter schützen. Der Vorerbe darf die Erbschaft (z.B. bestehend aus einem Wohnhaus) zeitlebens nutzen, muss aber deren Substanz erhalten und darf sie grundsätzlich nicht verkaufen oder verschenken. Im Näheren wird rechtlich zwischen einem „befreiten“ und einem „nicht befreiten Vorerben“ (Regelfall) unterschieden (§ 2136 BGB). Beim Tod des Vorerben geht der dann noch vorhandene Nachlass des Erblassers nicht an die Erben des Vorerben, sondern an die vom Erblasser benannten Nacherben;
- wer ein „Vermächtnis“ bekommt, z.B. Ihr Auto, Ihren Schmuck, die Ordensammlung, das kostbare Tafelsilber, das Sie von Oma Leni geerbt haben, oder auch nur einen bestimmten Geldbetrag etc. Die Erben haben dann später diese Vermächtnisse an die jeweils im Testament benannten Vermächtnisnehmer herauszugeben. Vermächtnisse bieten eine gute Möglichkeit, Dank und Anerkennung gegenüber Enkeln, Patenkindern, Freunden oder auch wohltätigen Organisationen etc. zum Ausdruck zu bringen. Dabei können Sie auch für einen Erben ein Vermächtnis anordnen („Vorausvermächtnis“);
- wer anstelle eines Erben oder Vermächtnisnehmers für den Fall seines Vorversterbens dessen „Ersatzerbe“ bzw. „Ersatzvermächtnisnehmer“ sein soll;
- wie der Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände nach Herausgabe aller Vermächtnisse und Begleichung aller Nachlassverbindlichkeiten unter den Erben aufgeteilt werden soll;
- dass die Teilung des Nachlasses für eine bestimmte Zeit ganz oder teilweise ausgeschlossen sein soll, z.B. um einen Familienbetrieb im Bestand zu erhalten;
- ob Testamentsvollstreckung angeordnet wird. In diesem Fall sollten Sie zugleich den Testamentsvollstrecker und auch einen Ersatz-Testamentsvollstrecker benennen und ihnen möglichst konkrete und präzise Anordnungen im Testament vorgeben, die diese später umzusetzen haben. Die Benennung eines Testamentsvollstreckers oder einer Testamentsvollstreckerin ist eine gute Möglichkeit, mit der Nachlassverwaltung ggf. überforderte Erben zu entlasten und Streit unter den Erben vorzubeugen. Auch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ergibt ohne die gleichzeitige Anordnung einer Testamentsvollstreckung für die Dauer der Vorerbschaft wenig Sinn (insb. bei einem sog. Behindertentestament). Ein Testamentsvollstrecker hat nicht den Wünschen der Erben oder Nichterben zu entsprechen, sondern ausschließlich die Aufgabe, das Testament nach den dortigen Anweisungen im Sinne des Erblassers umzusetzen.
Bei der Testamentsgestaltung sollten Sie zudem etwaige Pflichtteilsrechte bedenken. Sofern und soweit Sie die gesetzlichen Erben im Testament nicht berücksichtigen, werden diese von der Erbfolge ausgeschlossen. Bestimmte gesetzliche Erben werden vom Gesetzgeber jedoch geschützt, indem er ihnen unabhängig vom Inhalt des Testaments einen „Pflichtteil“ zusichert. Pflichtteilsberechtigt sind nur die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel etc.) und der überlebende Ehegatte. Wenn es keine Abkömmlinge gibt, steht auch den Eltern des Erblassers ein Pflichtteil zu. Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen die Erben und besteht in der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB). Dem Pflichtteilsberechtigten steht es frei, seinen Pflichtteil geltend zu machen oder nicht. Er kann auch durch notariellen Ver-trag mit dem Erblasser vor dessen Tod auf sein gesetzliches Erbteil oder seinen Pflichtteil verzichten (§ 2346 BGB).
V. Weitere Vorteile eines Testaments
Über die vielfältigen Regelungsmöglichkeiten hinaus hat ein Testament den praktischen Vorteil, dass die Erben etwas konkret Vorzeigbares in der Hand halten, um ihre Erbenstellung gegenüber Dritten, insbesondere Banken, Versicherungen, Versorgungsunternehmen, Zeitungslieferanten etc. nachweisen zu können, ohne zwingend beim Nachlassgericht einen Erbschein betragen zu müssen. In vielen Fällen reicht später bei Kündigungen gegenüber Dritten die Vorlage der Sterbeurkunde und des vom Nachlassgericht eröffneten Testaments als Nachweis der eigenen Erbenstellung aus.
Damit die Erben zeitnah nach dem Tode zur Erledigung der vielen Nachlassangelegenheiten finanziell handlungsfähig sind und auf das bzw. die Bankkonten des Erblassers zugreifen können, ist es empfehlenswert, zumindest einem der vorgesehenen Erben schon zu Lebzeiten des Erblassers bei der Bank durch persönliche Vorsprache (inklusive Legitimationsprüfung) eine entsprechende „Kontovollmacht über den Tod hinaus“ einzuräumen. Andernfalls ist es wahrscheinlich, dass die Bank von den Erben für Auskünfte und den Zugang zu den Konten erst die Vorlage eines Erbscheins verlangt, dessen Erteilung vom Nachlassgericht ggf. mehrere Monate dauern kann und mit entbehrlichen Kosten verbunden ist.
VI. Formale Wirksamkeitsvoraussetzungen an ein Testament
Ein Testament ist nur wirksam, wenn es vom Erblasser vollständig, d.h. vom ersten bis letzten Buchstaben eigenhändig geschrieben (!) und am Ende um die Angabe des Ortes und des Datums ergänzt und sodann ebenfalls eigenhändig mit Vor- und Nachname unterschrieben worden ist (§ 2247 BGB). Wenn auch nur ein Teil des Testaments nicht handschriftlich vom Erblasser stammt, sondern z.B. mittels Schreibmaschine oder Computer erstellt worden ist, ist das gesamte Testament unwirksam und es gilt die gesetzliche Erbfolge!
Bei einem gemeinschaftlichen Testament von Eheleuten (z.B. „Berliner Testament“) reicht es aus, wenn ein Ehegatte den letzten Willen beider Eheleute handschriftlich aufschreibt und anschließend jeder Ehe-gatte den Text jeweils handschriftlich um den Ort und das Datum ergänzt und mit seinem Vor- und Nachnamen unterschreibt (§ 2267 BGB).
Alternativ zum handschriftlichen Testament kann der Erblasser oder die Erblasserin auch ein notarielles Testament („öffentliches Testament“) errichten (§ 2232 BGB).
VII. Unser Tipp
Sie können und sollten selbst bestimmen, was im Falle Ihres Todes mit Ihrem Nachlass geschehen soll. Das Erbrecht gibt Ihnen hierzu vielfältige Möglichkeiten an die Hand und zwar für jede Konstellation und Lebenslage. Sie müssen es nur tun. Machen Sie sich kundig oder lassen Sie sich fachlich beraten. Und dann machen Sie Ihr Testament! Bald!
Wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Testament in Ihrem Todesfall auch gefunden, von niemandem vernichtet und vom Nachlassgericht eröffnet wird, empfiehlt es sich, das Testament in amtliche Verwahrung zu geben. Ein notarielles Testament wird immer amtlich verwahrt. Die Kosten einer amtlichen Verwahrung liegen bei lediglich 75,00 EUR, die einer zusätzlichen Registrierung im Zentralen Testamentsregister bei höchstens 18,00 EUR.