Die Finanzgerichte (FG) haben sich in letzter Zeit vermehrt mit der Frage beschäftigen müssen, welche Kostenpositionen der Erben abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten darstellen. Dabei zeichnet sich insbesondere beim FG München die Tendenz ab, die Voraussetzungen für das Vorliegen von Nachlassverbindlichkeiten eng auszulegen. Nachfolgend sollen zwei aktuelle Urteile des FG München kurz erläutert werden. In beiden Fällen haben die Kläger allerdings Revision eingelegt, sodass abzuwarten bleibt, inwiefern der Bundesfinanzhof (BFH) die Urteile stützen wird.
I. Hintergrund: Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten
Sind die erbschaftsteuerlichen Freibeträge ausgeschöpft, so haben die Erben die Bereicherung durch den Erbanfall zu versteuern. Die steuerpflichtige Erwerbssumme kann jedoch durch verschiedene Faktoren verringert werden. Typische Kosten, die abzugsfähig sind und damit die Erwerbssumme mindern, sind etwa Beerdigungs- oder Grabpflegekosten. Ein weiterer Abzugsposten sind Verbindlichkeiten, die der Erbe aufgrund des Nachlasses zu erfüllen hat: N ach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind die vom Erblasser herrührenden Schulden grundsätzlich bei der Wertermittlung des Nachlasses abzugsfähig. Dies gilt zumindest dann, wenn diese Schulden nicht bereits anderweitig, typischerweise im Rahmen der Bewertung eines zur Erbschaft gehörenden Gewerbebetriebs oder Anteils hieran, berücksichtigt worden sind.
Daneben finden sich in § 10 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 ErbStG weitere mögliche Abzugsposten. Dazu gehören unter anderem Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen oder geltend gemachten Pflichtteilen sowie beispielsweise die Kosten für die Bestattung des Erblassers, ein angemessenes Grabdenkmal oder die übliche Grabpflege. Daneben sind auch Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar. Die Kosten, die für die Verwaltung des Nachlasses anfallen, gehören jedoch nicht dazu.
Diese Regelung kann einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Erwerbssumme haben und hat entsprechend hohe praktische Bedeutung. Zur Frage, was noch als berücksichtigungsfähige Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 ErbStG anzusehen ist, gibt es bereits eine Reihe von Urteilen. Die nachfolgend erläuterten Urteile konkretisieren den Begriff der Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit etwaigen Steuerschulden des Erblassers und erstatteten Gebäudesanierungsmaßnahmen bei Vermächtnisempfängern. Letztlich wird aber der BFH zu prüfen haben, ob die beiden Entscheidungen Bestand haben werden.
II. Keine Abzugsfähigkeit von Einkommensteuerschulden infolge einer von den Erben erklärten Betriebsaufgabe
Das FG München entschied mit Urteil vom 16.09.2020, Az. 4 K 2701/19, über die Frage, ob die Einkommensteuer, welche auf den Gewinn einer von den Erben für den Betrieb des Erblassers erklärten Betriebsaufgabe entfällt, als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG anzusehen ist.
Die Erben hatten die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs des Erblassers erklärt und hierdurch einen Aufgabegewinn von ca. 2 Mio. Euro erwirtschaftet, auf den fast eine halbe Million Euro Einkommensteuer entfiel. Daneben war auf den laufenden Betrieb im Veranlagungsjahr des Todes des Erblassers weitere Einkommensteuer zu entrichten. Das Finanzamt erkannte die Einkommensteuer auf die laufenden Betriebseinnahmen als Schulden, die vom Erblasser herrühren, und damit als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit an, versagte aber den Abzug hinsichtlich der Einkommensteuer auf den Betriebsaufgabegewinn.
Das FG München entschied, dass die Einkommensteuer, die auf den Gewinn aus der von den Erben erklärten Betriebsaufgabe entfällt, keine abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit darstellt. Schließlich gelten als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit lediglich die vom Erblasser herrührenden Schulden, d.h. solche, die entweder zu seinen Lebzeiten entstanden sind oder zu denen der Erblasser zu Lebzeiten die Grundlage geschaffen hat, die aber erst nach dem Erbfall entstanden sind. Im Gegensatz zu zivilrechtlichen Schulden werden unter den Steuerschulden nur solche Verbindlichkeiten des Erblassers verstanden, die ihn zu Lebzeiten bereits wirtschaftlich belastet haben. Hierbei bedarf es für eine wirtschaftliche Belastung nicht erst eines festsetzenden Bescheids vor dem Erbanfall. Vielmehr ist nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG maßgeblich, dass der Erblasser die Steuerverbindlichkeit durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und diese somit bei Ablauf des Todesjahres entstanden wären. Vorliegend sah das FG die Erklärung der Betriebsaufgabe als maßgebliche Realisierung des Steuertatbestandes an. Diese Erklärung wurde erst von den Erben nach dem Tod des Erblassers abgegeben, sodass es ohne die Erfüllung des Steuertatbestandes durch den Erblasser an einer wirtschaftlichen Belastung fehlte. Eine etwaige doppelte einkommen- und erbschaftsteuerliche Belastung der Erben sei in einem solchen Fall hinzunehmen.
Der Gesetzgeber hat zur Neutralisierung einer solchen Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer grundsätzlich die Steuerermäßigung nach § 35b EStG vorgesehen. Diese Ermäßigung wird im Rahmen der Einkommensteuerermittlung auf Antrag des Steuerpflichtigen hin gewährt.
Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Revision vor dem BFH ist unter dem Aktenzeichen II R 3/21 anhängig, nachdem die Kläger erfolgreich eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hatten.
III. Sanierungskosten für Vermächtnisempfänger nur im Einzelfall abzugsfähig
In einem weiteren Fall hatte sich das Gericht mit Urteil vom 20.01.2021, Az. 4 K 1586/19, neben verfahrensrechtlichen Themen mit der Frage zu befassen, ob die Kosten für die Sanierung einer Eigentumswohnung, die Gegenstand eines Vermächtnisses war, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.
Die Erblasserin hatte einerseits eine Erbin bestimmt und andererseits der Tochter der Erbin eine Eigentumswohnung vermacht. Diese war indes stark sanierungsbedürftig, noch zu Lebzeiten beauftragte die Erblasserin daher Sanierungsarbeiten, die aber erst nach ihrem Tode ausgeführt werden konnten. Nach Verrichtung dieser Arbeiten beglich die Erbin die Forderungen, obwohl nicht sie selbst, sondern ihre Tochter Vermächtnisnehmerin und mithin Eigentümerin der Eigentumswohnung geworden war. Letztere erstattete dann wiederum ihrer Mutter, der Erbin, die Sanierungskosten und strebte daraufhin eine vollumfängliche steuermindernde Berücksichtigung der erstatteten Kosten im Rahmen der Wertermittlung ihres Vermächtnisses an. Immerhin handele es sich, so ihre Auffassung, um Werkleistungen, die die Erblasserin selbst noch in Auftrag gegeben hatte und mithin um Erblasserschulden. Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit.
1. Keine Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Erblasserschulden
Das FG entschied, dass der Abzug der Sanierungskosten als Nachlassverbindlichkeit im vorliegenden Fall ausscheidet.
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG müssen die Schulden tatsächlich von der Erblasserin herrühren. Unter den Begriff der Erblasserschulden können grundsätzlich auch schwebende Rechtsbeziehungen fallen, denn die Ansprüche der Gläubiger der Erblasserin müssen für ihre Anerkennungsfähigkeit noch nicht voll wirksam entstanden sein. So können beispielsweise auch Werklohnansprüche vom Erblasser herrührende Schulden sein, wenn der Erblasser vor Abnahme des Werkes als fälligkeitsauslösendes Ereignis stirbt.
Vorliegend stellte sich die tatsächliche Situation jedoch schwieriger dar, da statt der Vermächtnisnehmerin und Eigentümerin des Sanierungsobjekts, die Erbin als zivilrechtliche Schuldnerin für die Sanierungskosten nach § 1967 BGB haftete. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Sanierungsaufwendungen schließlich der Vermächtnisnehmerin zugutekamen. Etwas anderes, so das FG in seiner Begründung, komme allerdings in Betracht, wenn die Erblasserin die testamentarische Anordnung getroffen hätte, die Sanierungskosten der Vermächtnisempfängerin aufzuerlegen, woran es aber im Entscheidungsfall fehlte.
2. Keine Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Erbfallkosten
Auch eine wertmindernde Berücksichtigung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG komme nicht in Betracht. Schließlich sind die Sanierungskosten nicht mehr von den Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung, Verteilung oder mit der Erlangung des Erwerbers entstehen, umfasst.
Die Zahlung des streitigen Kostenbetrages durch die Vermächtnisnehmerin an die Erbin ist nicht zwingend durch den Erbfall verursacht worden (z.B. durch einen gesetzlichen Anspruch), sondern beruhte auf einer freiwilligen vertraglichen Vereinbarung. Das FG prüfte in dieser Hinsicht verschiedene potentielle gesetzliche Erstattungsansprüche der Erbin gegen die Vermächtnisnehmerin. Beispielsweise bestand kein Anspruch der Erbin gegen die Vermächtnisnehmerin auf Erstattung von Verwendungen und Aufwendungen gemäß § 2185 BGB, weil die Begleichung der Reparaturleistungen keine freiwillige Verwendung war, sondern eine bestehende Verpflichtung, die die Erblasserin mit dem jeweiligen Werkunternehmer vereinbart hatte. Auch auf anderen gesetzlichen Grundlagen hätte die Erbin keine Erstattung verlangen dürfen. Daher entstanden die Kosten nur gelegentlich des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs und stellen keine abzugsfähigen Erbfallkosten dar.
Auch hier bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil Bestand haben wird. Das FG ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, wie der Begriff der Erbfallkosten auszulegen ist, die Revision zu. Derzeit ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen II R 4/21 beim Revisionsgericht anhängig.
IV. Fazit
Obwohl das FG München in den vorliegenden zwei Entscheidungen zu dem Ergebnis kommt, dass die in Rede stehenden Positionen keine abzugsfähigen Kosten darstellen, ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen. Die Steuerpflichtigen dürfen somit weiterhin auf ein Urteil zu ihren Gunsten hoffen. Zum einen darf nicht vergessen werden, dass stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind, weshalb sich die beiden hier erörterten Urteile nicht verallgemeinern lassen. Der beste Weg, die steuerlichen Auswirkungen einer Erbschaft zu kalkulieren, ist die Vermögensnachfolge bereits zu Lebzeiten zu regeln und in diesem Zusammenhang schon frühzeitig Planungen für Vermögensübertragungen anzustellen. Denn dann lassen sich auch in steuerlicher Hinsicht unerwünschte Folgen bereits im Vorfeld minimieren oder sogar gänzlich ausschließen. Zum anderen wurde in beiden Fällen Revision eingelegt, sodass für die Steuerpflichtigen die Aussicht besteht, dass die strengen Vorgaben des FG München vom BFH korrigiert werden.