I. Einleitung
Die Maßstäbe der Grundbesitzbewertung für die Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen einem ständigen Wandel. Dies liegt zum einen an immer wiederkehrenden Gesetzesänderungen – wie zuletzt dem Jahressteuergesetz 2022, das eine Reihe von Neuerung für die Bewertung mit sich gebracht hat. Zum anderen wird das Bewertungsrecht durch die einzelnen Finanzgerichte (FG) und den Bundesfinanzhof (BFH) immer wieder fortentwickelt. Diese Weiterentwicklungen wirken sich dabei nicht immer positiv für den Steuerpflichtigen aus, sondern können auch mit Nachteilen einhergehen. In diesem Beitrag möchten wir auf zwei dieser aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung hinweisen.
II. Regelmäßig kein Sachwertverfahren mehr bei mittelbarer Grundstücksschenkung
1. Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung
Wendet der Schenker dem Beschenkten einen Geldbetrag unter der Auflage zu, dass der Beschenkte von diesem Betrag ein ganz bestimmtes Grundstück zu kaufen hat, liegt in diesem Vorgang eine sogenannte mittelbare Grundstücksschenkung. Der Fall wird so behandelt, als hätte der Schenker dem Beschenkten nicht den Geldbetrag, sondern das Grundstück selbst zugewendet. Demgemäß liegt die Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer nicht in dem zugewendeten Geldbetrag, sondern dem steuerlichen Wert des erworbenen Grundstücks, der regelmäßig niedriger ist, als der aufgewendete Geldbetrag. Aufgrund dieses niedrigeren steuerlichen Werts stellt die mittelbare Grundstücksschenkung eine Gestaltung zur Reduzierung der Schenkungsteuer dar.
2. Bisherige Rechtslage
Bei Wohnungs- und Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäusern ist für die Bestimmung des Grundstückswerts vorrangig das Vergleichswertverfahren anzuwenden. Im Rahmen des Vergleichswertverfahrens werden zur Ermittlung des Grundstückswerts Kaufpreise anderer Vergleichsgrundstücke als Maßstab herangezogen, die hinsichtlich ihrer Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen. Diese Vergleichspreise werden von einem unabhängigen Gutachterausschuss ermittelt. Wendet der Schenker dem Beschenkten beispielsweise einen Betrag in Höhe von 750.000 € zu und beläuft sich der Grundstückskaufpreis auf den gleichen Betrag, der Vergleichswert des Grundstücks liegt allerdings nur bei 700.000 €, kann ein Betrag von 50.000 € (zusätzlich zu etwaigen Freibeträgen) sozusagen steuerfrei verschenkt werden.
Konnte der Gutachterausschuss keine Vergleichspreise mitteilen, gelangte bisher das – dem Vergleichswertverfahren nachrangige – Sachwertverfahren zur Anwendung. Beim Sachwertverfahren wird der Grundstückswert anhand der Bausubstanz und dem Bodenrichtwert errechnet. Hierbei spielen insbesondere die Herstellungskosten eine entscheidende Rolle. Durch die Anwendung des Sachwertverfahrens konnte häufig ein noch größerer Steuervorteil erzielt werden, weil der Sachwert in den meisten Fällen deutlich unter dem Vergleichswert des Grundstücks lag.
3. Neuerungen durch die Entscheidung des BFH
Der Bewertung im Sachwertverfahren hat der BFH nunmehr mit Entscheidung vom 24.08.2022 (Az. II R 14/20) eine Absage erteilt. Er entschied, dass in den Fällen, in denen vom Gutachterausschuss keine Vergleichspreise mitgeteilt werden können, auch der vereinbarte Kaufpreis aus dem Erwerb des zu bewertenden Grundstücks selbst als Vergleichspreis herangezogen werden könne. Dass dementsprechend keine Mehrzahl, sondern nur ein einzelner Vergleichspreis vorliegt, spiele dabei keine Rolle. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der Kaufpreis in zeitlicher Nähe zum Bewertungsstichtag unter fremden Dritten und zu marktüblichen Bedingungen vereinbart wurde.
4. Fazit
Die Entscheidung des BFH hat erhebliche Auswirkungen auf die mittelbare Grundstücksschenkung. Liegt eine derartige Schenkung vor, existiert immer zugleich auch ein zeitnah vereinbarter Kaufpreis. Bei konsequenter Anwendung der Rechtsprechung hat das zur Folge, dass das Sachwertverfahren bei der mittelbaren Grundstücksschenkung kaum mehr zu Anwendung gelangen kann. Dadurch ist die Gestaltung nur noch dann sinnvoll, wenn Vergleichspreise existieren und hierdurch ein Vergleichswert des Grundstücks ermittelt werden kann, der unterhalb des Kaufpreises liegt. Im Übrigen verliert sie ihren Anreiz, da der vereinbarte Kaufpreis und der zugewendete Geldbetrag identisch sind und eine Reduzierung der Schenkungsteuer damit ausscheidet. Insoweit macht es dann keinen Unterschied mehr, ob der Geldbetrag direkt oder mittelbar als Grundstück verschenkt wird.
Besonders hinzuweisen ist zudem auf das Erfordernis der unter marktüblichen Bedingungen getroffenen Kaufpreisvereinbarung. Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Sondersituationen, bei denen Käufer bereit waren, deutlich über dem Marktwert liegende Preise für ein Grundstück zu zahlen. Bei Darlegung und Nachweis dieses Überpreises kann man unseres Erachtens nicht mehr von einer Marktüblichkeit ausgehen, wodurch dann das Sachwertverfahren anwendbar sein dürfte. Damit einher geht die weiterhin bestehende Möglichkeit des Steuerpflichtigen zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks durch die Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens.
III. Marktanpassungsabschlag bei der Zuwendung eines Miteigentumsanteils
1. Bisherige Rechtslage
Wird nicht das gesamte Eigentum an einem Grundstück verschenkt oder vererbt, sondern lediglich ein Anteil hieran, so entsprach der Wert des Miteigentumsanteils bisher grundsätzlich dem entsprechenden Anteil am Wert des gesamten Grundstücks. Hatte ein Grundstück demnach zum Beispiel einen Wert von 800.000 € und wurde ein daran bestehender Miteigentumsanteil von 50 % verschenkt oder vererbt, war auch der Miteigentumsanteil mit einer Quote von 50 % und somit einem Betrag von 400.000 € zu bewerten.
2. Neuerungen durch die Entscheidung des FG Münster
Das FG Münster entschied nunmehr mit Urteil vom 24.11.2022 (Az. 3 K 1201/21 F), dass ein Abschlag auf den Wert des Miteigentumsanteils zulässig sei. In dem zu entscheidenden Sachverhalt stützte sich der Kläger auf ein Gutachten des Gutachterausschusses, in dem vom rechnerischen Anteil am Verkehrswert des Grundstücks im Wege der Marktanpassung ein Abschlag von 20 % vorgenommen wurde. Diese Vorgehensweise hielt das FG Münster für plausibel und nachvollziehbar, weil der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken – wie einer eingeschränkten Verfügungsgewalt – verbunden sei. Dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Grundstücks grundsätzlich allen Beteiligten einer Bruchteilsgemeinschaft gemeinschaftlich zusteht, begründe einen hohen Abstimmungsbedarf und damit einhergehend ein erhebliches Streitrisiko, dessen sich ein potentieller Erwerber eines Miteigentumsanteils von vornherein bewusst sein müsse.
3. Fazit
Das Urteil des FG Münster ist zwar zu begrüßen, weil es eine niedrigere Bewertung eines zugewendeten Miteigentumsanteils zulässt. Zu beachten ist aber, dass ein entsprechender Bewertungsabschlag nur dann gewährt werden kann, wenn der Steuerpflichtige für den Bewertungsabschlag ein entsprechendes Gutachten durch einen qualifizierten und anerkannten Sachverständigen vorlegen kann. Zudem hinterlässt es eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil nicht klar ist, ob ein entsprechender Marktanpassungsabschlag in allen Fällen der Miteigentumsanteilsübertragung vorzunehmen ist, oder ob die Grundsätze auf andere Fälle – wie beispielsweise der Zuwendung eines Anteils an einer grundstücksverwaltenden GbR – zu übertragen sind.
Hinzukommt, dass gegen das Urteil die Revision beim BFH anhängig ist. Dieser hatte 2005 (Az. II B 58/05) – und damit noch zur alten Gesetzeslage – entschieden, dass der Nachweis des geringeren Werts eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück im Vergleich zu seinem rechnerischen Anteil am Wert des gesamten Grundstücks nicht zulässig sei. Es verbleibt damit abzuwarten, ob der BFH seiner Rechtsauffassung auch im jetzt geltenden Recht treu bleiben oder aber die Rechtsprechung des FG Münster bestätigen wird.